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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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zuschaute.
    „Du nähst es mit der Hand?“
    „Ich habe keine Nähmaschine. Mrs. Claibornes ist kaputtgegangen, sonst hätte ich die benutzt. Aber sie sagt, die Maschine ist älter als die Hügel, und es lohnt sich nicht, sie reparieren zu lassen.“ Cissy lächelte ein wenig. „Ich glaube, sie hat Angst, dass sie, wenn sie sie reparieren lässt, sie auch benutzen muss. Sie hasst nähen.“
    „Na, aber wenigstens kann sie kochen“, sagte Helen schlecht gelaunt. „Marian Claiborne macht den besten Süß-kartoffelauflauf im ganzen Bezirk, und sie würde niemandem das Rezept geben. Damit hat sie sich schon ein oder zwei Feinde gemacht, dass kann ich euch sagen.“
    „Zu mir ist sie nett. Nie hat sie ein böses Wort gesagt, auch nicht, als …“ Sie beendete den Satz nicht.
    Tessa sah Helen an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie wollte die junge Frau nicht dazu ermuntern, ihr Herz auszuschütten. Sie hatten schon genug mit sich selbst zu tun.
    „Ist ja auch gleichgültig. Jedenfalls nähe ich mit einer alten Nadel und Faden. Aber ich nehme an, ich mache es nicht sehr ordentlich“, sagte Cissy.
    „Was ist das?“, fragte Tessa. Sie nahm ein Glas und reichtees Cissy. „Magst du süßen Tee?“
    „Oh ja, danke schön.“ Cissy nahm das Glas und hielt es gegen ihre gerötete Wange. „Es wird ein Baby-Quilt. Soll es jedenfalls werden.“
    Tessa reichte auch Helen ein Glas und nahm sich selbst eines. „Ich mag die Farben. Erinnerten sie dich an Grams Dahlien-Quilt?“
    „Darum habe ich Gold ausgesucht.“
    Helen ließ den Stoff in Cissys Schoß fallen. „Also, wenn du vorhast, es als Decke zu benutzen, musst du dich schon mehr anstrengen.“
    „Ich weiß. Ich glaube, ich trenne es wieder auf und versuche etwas anderes. Aber ich werde weitermachen.“
    Helen schwieg. Sie bewegte die Kiefer, als kaue sie auf etwas herum. „Willst du einen Rat?“
    Cissys Gesichtsausdruck änderte sich, als würde die Sonne hinter dunklen Wolken hervorscheinen. „Hätten Sie dafür ein wenig Zeit?“
    „Ich gebe keinen Unterricht. Habe ich nie gemacht und werde ich auch nie machen.“
    „Ja, Ma’am, das verstehe ich. Aber vielleicht können Sie mir einfach sagen, wie ich weitermachen soll?“
    „Also, erst einmal würde ich es nicht auftrennen, sondern gleich wegwerfen. Der Stoff ist gedehnt, und wenn du ihn auftrennst, dann franst er außerdem aus.“
    Cissy sah aus, als sei es ihr unangenehm, aber sie nickte.
    „Hast du noch mehr Stoff?“
    „Zeke sagte mir, ich solle ruhig einen Meter von jedem Stoff kaufen, der mir gefällt.“
    „Gut. Hast du ihn gewaschen?“
    „Nein, ich wusste nicht …“
    „Das machst du als Nächstes. Wasch ihn gründlich, und dann hängst du ihn zum Trocknen auf, so wie du es mit demBaby-Quilt machen würdest.“
    „Ach so, damit die Decke hinterher nicht einläuft?“
    „Dann bügelst du ihn gründlich, ein bisschen stärken kannst du den Stoff auch, und dann kommst du her, und ich zeige dir, wie man ihn schön gerade und sauber schneidet.“
    Cissy sah aus, als hätte man ihr eine Woche Urlaub auf Tahiti geschenkt.
    „Das würden Sie tun?“
    „Hab ich doch gerade gesagt, oder?“
    Cissy stand auf; man konnte sehen, dass sie Angst hatte, Helens Gastfreundschaft überzustrapazieren. „Das ist schrecklich nett von Ihnen. Genauso werde ich es machen.“
    Cissy wandte sich an Tessa, aber bevor sie sprach, fiel ihr Blick auf das Buch, das neben Tessas Stuhl lag. Tess von Urbervilles , das Buch, das Tessa im Herbst mit einer ihrer höheren Klassen durchnehmen wollte. Sie hatte dieses Buch schon lange nicht mehr unterrichtet, und nun las sie es noch einmal durch, um sich Notizen für Fragen und Aufgaben zu machen. Sie wechselte die Bücher, die sie in ihrem Unterricht besprach, regelmäßig, damit ihre Schüler es nicht zu einfach hatten, die Notizen und Klassenarbeiten von älteren Schülern auszuleihen. Dann musste sie sich nur darum Sorgen machen, dass sie nichts aus dem Internet herunterluden.
    „Tess“, Cissy las den Titel über Kopf. „So heißen Sie. Ist es ein gutes Buch?“
    „Ein Klassiker. Ich nehme es mit meinen Schülern an der Highschool durch.“
    Cissy nahm das Buch hoch und betrachtete das Mädchen auf dem Titelbild. „Sie ist hübsch, nicht wahr? Und altmodisch.“
    „Es wurde vor langer Zeit geschrieben.“
    Cissy wandte ihren Blick nicht von dem Buch. „Das vermisse ich am meisten, seitdem ich nicht mehr zur Schulegehe, das Lesen, wissen Sie? Ich mochte

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