Sommer der Entscheidung
einmal nicht mehr bin. Du und deine Mutter, ihr verkauft das alte Ding hier doch sowieso, ohne ein zweites Mal darüber nachzudenken.“
Tessa fragte sich, ob das wirklich noch stimmte. Sie war nicht nach Toms Brook gekommen, um an ihre Vergangenheit anzuknüpfen. Meistens wünschte sie sich, sie könnte die Vergangenheit ausradieren und wäre niemals mehr gezwungen, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Aber in den zwei Wochen, die sie jetzt schon hier war, hatte sie widerwillig eine Liebe zu ihrer Familiengeschichte entwickelt. Die Whitlocks hatten sie nie wirklich interessiert, aber die Stoneburners hatten trotz Armut und Kummer versucht, das Beste aus allem zu machen. Nach Helens knappen Erzählungen zu urteilen, hatte es hier in diesem Haus Liebe gegeben – und Stärke.
„Nur versprich mir, dass du nicht das Familiengrab verkaufst“, bat Helen, als Tessa ihr nicht widersprach.
Tessa erinnerte sich daran, dass Helen Kayley auf dem Hügel hinter dem Haus bei den anderen Stoneburners begraben lassen wollte. Tessa wollte davon nichts hören.
„Da oben ist noch genügend Platz für mich“, fuhr Helen fort, ihre Stimme hatte an Stärke gewonnen. „Fate ist dort, und ich möchte bei ihm sein, wenn ich tot bin.“
Tessa sah ihrer Großmutter in die Augen. „Ich werde dafür sorgen, dass du dort oben begraben wirst. Mach dir keine Sorgen.“
Helen nickte einmal, um die Absprache zu besiegeln. Dann setzte sie sich aufrecht hin und spähte zur Straße. „Werist das, was glaubst du?“
Tessa folgte dem Blick ihrer Großmutter. Ein blauer Pick-up war in die Auffahrt gebogen. Er fuhr über Furchen und durch Schlaglöcher, bevor er ungefähr in zwanzig Metern Entfernung anhielt.
Die Fahrertür schwang auf, und ein Mädchen ging zur Motorhaube, löste sie und ließ sie weit geöffnet stehen. Qualm stieg aus dem Motorraum und löste sich langsam in der flirrenden Hitze auf.
„Es ist Cissy“, sagte Tessa.
„Wer?“
„Cissy.“ Sie konnte sich nicht an ihren Nachnamen erinnern. „Die Cissy, die auf der Claiborne-Farm lebt.“
„Sie ist so rund wie ein Kürbis.“
In den letzten zwei Wochen hatte Cissy zugenommen, aber Tessa dachte, man könne es nur sehen, weil das Mädchen schmal war und ihr runder Bauch hervorstand.
„Ich glaube nicht, dass die Gefahr besteht, dass sie das Kind hier bekommt.“ Widerwillig stand sie auf und ging zu den Verandastufen, um Cissy zu bitten, ihnen Gesellschaft zu leisten.
Cissy winkte. Bevor Tessa etwas sagen konnte, ging sie zur Ladefläche des Wagens, öffnete die Klappe und holte etwas herunter.
„Pfirsiche“, rief sie und hielt sie Tessa entgegen, „von Mr. und Mrs. Claiborne.“ Sie ging zu ihnen herüber.
„Was hat sie gesagt?“
„Sieht so aus, als hätten die Claibornes dir Pfirsiche geschickt.“
Als Helen etwas Unverständliches grummelte, ging Tessa dem Mädchen entgegen und nahm ihr den Korb ab. „Du solltest nichts Schweres heben.“
„Ach, das war nicht so schlimm. Es ist ja keine ganzeKiste, wegen der Dürre.“ Sie lächelte Tessa schüchtern an.
Tessa war überrascht, wie gut Cissy aussah. In der riesigen weißen Bluse und den abgeschnittenen Jeans, die wahrscheinlich einem Mann mit Bierbauch gehört hatten, sah sie müde und ein wenig zerbrechlich aus. Aber sie hatte eine gesunde Gesichtsfarbe, und ihre Haut war fein und weich wie die Pfirsiche, die sie mitgebracht hatte. „Wie kommst du mit diesem Wetter klar?“, fragte Tessa.
„Oh, ich glaube, es scheint schlimmer als sonst zu sein, weil mir durch das Baby schon warm genug ist. Aber ich mache einfach normal weiter.“
Tessa neigte den Kopf zum Korb hinunter und atmete ein. „Die riechen wunderbar. Das ist nett von Mr. und Mrs. Claiborne.“
„Die Pfirsichbäume haben es schwer dieses Jahr. Nicht alle tragen Früchte, und wenn sie Pfirsiche haben, vertrocknen die schon an den Ästen. Aber Mr. Claiborne sagte, Regen ist unterwegs. Und mit diesen Dingen kennt er sich aus.“
„Ich hoffe, er hat recht. Bleibt nur zu wünschen, dass der Regen auch etwas bringt.“
„Für die Pfirsiche ist es zu spät, aber für die Äpfel reicht es sicherlich noch.“
Sie waren beide an der Veranda angekommen. Cissy ließ Tessa vorgehen, dann kam sie nach. Tessa setzte den Korb ab. „Sieh dir diese Pfirsiche an, sind die nicht schön?“
Helen machte ein Ge räusch, das alles bedeuten konnte. „Ron Claiborne will sich gut mit mir stellen. Wartet es nur ab.“
Cissy schien diese Beleidigung nicht
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