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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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aufstanden und ihre Geschenke auspackten.
    „Das ist ein schönes Weihnachten“, sagte Delilah, als das letzte Geschenk ausgewickelt war. „Wir haben alles, was wir brauchen.“
    Helen hatte das gleiche Gefühl. Sie hatte fast alles, was sie brauchte, hier in diesem Raum und auf der Farm. Dennoch vermisste sie jemanden: Fate Henry. Aber etwas war doch sehr seltsam. Sollte Fate jemals ihr gehören, würde er sie ihrer Familie wegnehmen, weil sie dann mit ihm leben würde.
    Den Rest des Morgens verbrachten sie damit, nur das Nötigste im Haus zu machen. Dann ging Helen wieder in die Küche und half ihrer Mutter, den Braten zuzubereiten, den sie selbst auf der Farm geräuchert hatten.
    Als sie gerade fertig mit dem Aufräumen waren, kamen schon die ersten Gäste: Familienmitglieder und Nachbarn. Es gab heißen Apfelsaft und geröstete Erdnüsse, und die Gespräche drehten sich darum, dass es viel zu warm war, um eine weiße Weihnacht zu haben. Leute kamen und gingen. Tom und Obed fuhren los, um Freunde zu besuchen, und Helen räumte auf, nachdem eine Gruppe Gäste gegangen und die nächsten im Anmarsch waren. Allmählich wurde es dunkel.
    Sie hatte gehofft, dass Fate vorbeikäme, aber erhatte nichts davon erwähnt, als sie zusammen den Baum geschmückt hatten. Sie wünschte sich, sie hätte ihn gefragt, ob er kommenwolle, aber sie hatte zu viel Angst gehabt, dass sie ihn durch ihr Gerede über den Wedding-Ring-Quilt verschüchtert hatte. Er war ein ruhiger Mann und sehr zurückhaltend, und sie fürchtete, dass sie nie erfahren würde, was er für sie empfand, wenn sie ihn nicht geradeheraus fragte. Aber wenn sie das tat, würde er wahrscheinlich für immer verschwinden.
    Sie goss gerade heißen Apfelsaft in Gläser, als von draußen Rufe und Glockenklingeln hereindrangen. Sie glaubte eine Hupe zu hören, dann noch eine, gefolgt von Schreien.
    „Pelsnickles! Pelsnickles!“
    Delilah sah ihre Tochter an. „Na, das habe ich ja seit ein, zwei Jahren nicht mehr gehört.“
    Helens Augen leuchteten. „Jemand spielt uns einen Pelsnickles-Streich!“
    „Nun, steh da nicht rum und rede. Mach die Tür auf, und lass sie rein!“
    „Aber der Apfelsaft …“
    „Ich kümmere mich darum. Lass mich nur machen, Lenny. Geh schon.“
    Helen stürmte ins Wohnzimmer, wo ihr Vater gerade zur Tür ging. Cuddy war ein großer, schlanker Mann, aber durch die jahrelange Arbeit im Futtergeschäft, wo er Säcke auf Waggons laden musste, hatte er kräftige Muskeln an den Armen bekommen. Wenn er die Pelsnickles nicht in seinem Haus haben wollte, konnte er sie mühelos hinausschmeißen.
    Nach alter Tradition gingen als Vogelscheuchen verkleidete Gestalten in der Weihnachtszeit von Tür zu Tür und überraschten die Bewohner mit ihrem Besuch. Sie würden so lange bleiben und Süßigkeiten und heißen Most fordern, bis die Hausherren erraten hatten, wer sich hinter der Verkleidung versteckte. Dann zogen sie weiter.
    „Daddy, du lässt sie doch herein, oder?“, fragte Helen, als er die Tür öffnete.
    Cuddy drehte sich zu ihr um, und sie sah, dass er grinste. „Warum sollte ich sie wegschicken?“
    „Ich dachte, du machst dir vielleicht Sorgen um Mama.“
    „Es wird ihr guttun. Als sie ein Mädchen war, gab es kein Weihnachten ohne Pelsnickles.“ Er sperrte die Tür weit auf, und da waren sie: acht monströse Fremde, die auf der Veranda standen. „Kommt rein“, sagte er, indem er die Tür noch weiter öffnete. „Los, kommt sofort rein.“
    Die Monster grunzten, als sie in das Wohnzimmer gingen. „Wisst ihr, wer wir sind?“, fragte eines der Monster mit tiefer Stimme.
    „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, sagte Cuddy. „Helen, was meinst du?“
    Helen starrte sie an. Die Männer – obwohl es durchaus möglich war, dass auch eine Frau darunter war – hatten sich mit Lumpen verkleidet, die überall ausgestopft waren, so dass sie doppelt so dick aussahen. Ihre Hände steckten in alten Arbeitshandschuhen, und vor ihren Gesichtern trugen sie Masken. Einige trugen bunte Futtersäcke über ihren Köpfen. Dort, wo die Augen und der Mund waren, hatten sie Schlitze hineingemacht. Einige hatten schönere Masken auf, die man vielleicht in einem Geschäft kaufen konnte. Alle trugen Mützen, die sie weit ins Gesicht gezogen hatten.
    Sie erkannte Tom sofort und gab sich Mühe, ihn nicht anzulächeln. Erkannt hatte sie ihn an seinen Arbeitshandschuhen und seinem alten Hemd, das er so ausgestopft hatte, dass fast die Nähte seiner Ärmel

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