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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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gut lesen. Du kannst deine Gedanken aufschreiben. Deine Ideen auf Papier zu bringen ist nicht so schwierig, wie du glaubst.“
    Cissy sah Tessa in die Augen. „Das würden Sie für mich tun?“
    Auch als Tessa nickte, verstand sie nicht, warum sie ihr das Angebot gemacht hatte. Wem wollte sie damit helfen, Cissy oder sich selbst?
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

15. KAPITEL
    H elen wusste nicht, was das sollte, dass ein Mädchen zur Schule ging, wenn sie dort nicht lernte zu nähen. Sicherlich, sie wusste wohl, dass die meisten Mädchen heutzutage ihre Kleidung und Bettwäsche in Geschäften kauften. Sie gingen auch zum Essen aus oder ließen sich ihr Abendessen durch ein kleines Fenster eines Schnellimbisses reichen, während sie in ihrem Auto sitzen blieben. Aber mussten Mädchen nicht auch wissen, wie man einen Knopf annähte, ein Kleid umsäumte oder wie man den Kindern Essen machte? Delilah hatte ihr beigebracht, darauf stolz zu sein, was sie konnte: Sie nannte es die fraulichen Künste. Aber was war fraulich oder künstlerisch daran, einen Rock von der Stange anzuprobieren oder einen Hamburger aus dem Einwickelpapier zu essen?
    „Ich nehme an, dass die arme Cissy nicht gelernt hat zu nähen?“ Nancy setzte sich vor dem Abendessen zu ihrer Mutter auf die Veranda und machte es sich neben ihr auf der Hollywoodschaukel bequem.
    Helen war so in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie weder das Fliegengitter noch die Tür gehört hatte. Es brauchte eine Weile, bis sie die Antwort parat hatte. „Wieso glaubst du das?“
    „Ich habe gehört, wie du ihr vorhin einen Vortrag darüber gehalten hast. Ich frage mich, ob sie jemals wiederkommen wird. Ich musste mir damals deine Ausführungen anhören, ich konnte nicht anders. Aber das Mädchen braucht das nicht zu tun.“
    „Ich habe sie nicht belehrt!“ Helen dachte nach. „Na ja, immerhin brauchte sie ein wenig Unterricht, oder? Sie wusste noch nicht mal, wie man einen richtigen Knoten macht. Und du? Du hättest mehr Unterricht gebraucht, als ich dir jemalsgegeben habe. Ich habe noch nie ein Mädchen wie dich gesehen, das so wenig Lust zu arbeiten hatte.“
    „Ich war nicht faul.“ Nancy lehnte ihren Kopf gegen den Rücken der Schaukel. „Du hast immer gedacht, ich wäre faul gewesen. Nur weil ich anders war als du. Ich habe andere Möglichkeiten für mein Leben gesehen. Vielleicht war ich so wie mein Daddy.“
    Helen fragte sich, ob das so stimmte. Sie war sich nicht sicher. In all den Jahren waren ihre Erinnerungen an Fate verblasst.
    „Findest du, dass ich ihm ähnele?“, hakte Nancy nach.
    „Es dauert Jahre, bis man eine Person wirklich kennt, bis man weiß, wie es in ihrem Inneren aussieht. Ich kannte Fate, seit er ein Junge war, aber ich kannte ihn genug, um ihn als Mann attraktiv zu finden. Ich kannte den Mann Fate zu kurz, um viel über ihn sagen zu können.“
    „Gott, das ist traurig.“
    „Fang nicht an zu jammern.“
    „Ich weiß, ich weiß.“ Nancy bewegte ihre Hände vor ihrem Gesicht, als wolle sie ein Insekt verscheuchen. „Ich habe mehr als jedes andere Mädchen in Shenandoah County geweint. Das musst du mir nicht noch einmal erzählen. Wenigstens hast du heute nicht die arme Cissy zum Weinen gebracht. Oder doch?“
    „Das Mädchen hat Rückgrat, das muss ich ihr lassen.“
    „Und ich hatte keines.“ Das war eine Feststellung, keine Frage.
    Helen war von sich selbst sehr überrascht. „Du? Du hattest das stärkste Rückgrat, das ich jemals gesehen habe. Vielleicht hast du nach außen hin eimerweise Tränen vergossen, aber in deinem Innersten hattest du deutlich mehr Durchsetzungskraft und einfach mehr Mumm als jedes andere Mädchen, das ich kannte.“
    Nancy schwieg. Nach einem Moment wagte Helen einen Seitenblick. Ihre Tochter sah aus, als hätte ihr jemand gerade Eiswürfel in den Ausschnitt getan. „Nun tu doch nicht so, als hättest du das nicht gewusst“, sagte Helen.
    „Jetzt muss ich vielleicht wirklich weinen. Ich glaube, das ist das Netteste, oder das einzig Nette, was du jemals zu mir gesagt hast.“
    „Ach, hör doch auf!“
    „Aber es ist wahr. Ich wuchs in dem Glauben auf, dass ich die größte Enttäuschung im ganzen Staat von Virginia sei.“
    „Nie warst du die größte. Wie immer musst du übertreiben.“
    Nancy gab ihrer Mutter einen Stups mit dem Ellenbogen. „Und natürlich liebst du es, Leute zu belehren.“
    „Worüber belehrt uns Gram heute?“ Tessa kam hinaus auf

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