Sommer der Liebe
hatte sich kaum verändert. Groß, mit von der Sonne ausgeblichenem dunkelblondem Haar und einem verschmitzten Lächeln.
»Sian?«, sagte er und starrte sie an, als wäre sie ein Wesen von einem anderen Stern. »Sian! Was zum Teufel machst du denn hier?«
Sians Mund war ganz trocken, und ihr wurde schummrig. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. All das Verlangen nach diesem Mann, das sie bei ihrer ersten Begegnung empfunden hatte, kam mit einem Schlag zurück. Wie konnte ihr Körper sie derart im Stich lassen? Sie war in Schwierigkeiten. Schnell nahm sie noch einen Schluck Wein, denn sie hoffte, dass sie dann vielleicht sprechen konnte.
»Ich …«, war alles, was sie herausbrachte. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er da war, dass er leibhaftig vor ihr stand, der Mann, der ihr das Herz gestohlen hatte, der ihre Leidenschaft, ihre Träume genommen und damit fortgegangen war und ihr nur ihren geliebten Sohn zurückgelassen hatte. Komm schon, Gehirn, arbeite!, drängte sie. Denk dir etwas aus, das ich sagen kann! Wenn er doch nur nicht mehr so attraktiv wäre, aber das war er, bei Gott, das war er!
»Ihr kennt euch?«, fragte Fiona. »Was für ein außergewöhnlicher Zufall! Warum hast du mir nicht erzählt, dass du meinen Sohn schon mal getroffen hast?«
Der Wein wirkte. »Ich wusste es nicht!« Sian hatte ihre Sprache endlich wiedergefunden. »Ich hatte keine Ahnung, dass Gus dein Sohn ist. Du hast stets von Angus gesprochen.« Sie runzelte die Stirn. »Und dein Nachname ist Matcham.«
Gerade noch rechtzeitig hielt sie sich davon ab hinzuzufügen: »Und nicht Berresford.« Sein Name sollte nicht in ihr Gedächtnis eingraviert sein, und die Tatsache, dass er es war, musste ein Geheimnis bleiben.
»Dann habt ihr euch wirklich schon mal getroffen?«, fragte Melissa mit spröder Stimme. Sie klang regelrecht eifersüchtig.
»Oh ja, das haben wir«, sagte Gus mit Nachdruck. »Das haben wir in der Tat. Obwohl wir uns sehr lange nicht mehr gesehen haben.«
An der Art, wie er Sian ansah, war zu erkennen, dass er sich noch sehr detailliert an die Zeit mit ihr erinnern konnte, und Sian errötete, als auch sie diese Erinnerungen überfielen. Es war ihr sehr peinlich, sie in einem Raum voller Menschen noch einmal zu durchleben. Die anderen Gäste schienen Gus und sie anzustarren.
»Wie habt ihr euch kennengelernt?«, hakte Melissa nach.
»Auf einer Party«, antwortete Gus, »kurz bevor ich wegging.«
Die Party … Sie hatten sich in der Küche getroffen. Sian hatte sich Wasser holen wollen, und Gus war dort gewesen. Er hatte nach einem Glas gegriffen und es gefüllt. Als er es ihr gegeben hatte, hatten sich ihre Blicke gekreuzt. Sian erinnerte sich an den elektrischen Schlag, der sie beim Blick in Gus’ Augen getroffen hatte; er war bis heute in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sian hatte das Wasser genommen, war jedoch nicht zu den anderen zurückgekehrt. Gus ergriff ihre Hand und führte Sian in eine Ecke neben einem Tisch. Dort stand er dann vor ihr, als wollte er sie ganz für sich allein haben. Sian erinnerte sich noch, dass sie sich gefangen hätte vorkommen müssen, doch stattdessen fühlte sie sich beschützt und sicher. Und dann unterhielten sie sich. Stundenlang. Schließlich fragte er: »Sollen wir von hier verschwinden?«, und sie nickte wie selbstverständlich. Ohne sich von jemandem zu verabschieden, verließen sie die Wohnung und fuhren mit dem Taxi zu ihm. Es war völlig untypisch für Sian, aber sie konnte einfach nicht anders. Sie küssten sich im Taxi und konnten sich kaum voneinander lösen, um auszusteigen. Gus drückte dem Fahrer in der Eile ein ganzes Bündel Geldscheine in die Hand.
Sian konnte sich noch erinnern, dass sie auf dem Weg ins Schlafzimmer über ein paar Kisten gestolpert waren, aber sie erfuhr erst am nächsten Tag, dass Gus eine lange, lange Reise antreten würde. Da war es schon zu spät, sie war hoffnungslos und leidenschaftlich in ihn verliebt und ihm völlig verfallen. Zögernd stimmte sie zu, dass es vernünftiger war, sich ohne das Versprechen zu trennen, in Verbindung zu bleiben, und diese wundervolle Nacht ohne Reue in Erinnerung zu behalten. Schließlich wusste Gus nicht, wann er zurückkommen würde.
»Und seitdem habt ihr euch nicht gesehen?«, fragte Fiona nun.
»Ja«, sagte Sian und kehrte mühsam in die Gegenwart zurück.
»Ich fuhr am nächsten Tag weg«, erklärte Angus. »Ich meine, am Tag, nachdem wir uns kennengelernt hatten.« Er sah Sian jetzt genauso
Weitere Kostenlose Bücher