Sommer der Liebe
Melissa schmollend, als hätte sie ein Recht darauf, dass er in ihrer Nähe blieb. »Sicher ist doch der Vorteil, den ein Schriftsteller hat, dass er überall arbeiten kann.«
»Es ist wahrscheinlich einfacher, über einen Ort zu schreiben, wenn man gerade dort ist«, warf Fiona ein bisschen barsch ein. »Angus, Schatz, ich sterbe vor Neugier. Woher kennt ihr euch, Sian und du? Wusstest du, dass sie einen entzückenden …«
»Ach, damit musst du ihn nicht langweilen«, erklärte Sian. »Ich habe einen kleinen Sohn«, sagte sie mit einem knappen Lächeln, »aber Geschichten über die Kinder anderer Leute sind sehr ermüdend, nicht wahr?«
»Nicht unbedingt«, widersprach Gus und warf ihr einen strafenden Blick zu – aber vielleicht kam es ihr auch nur so vor.
»Rory ist nicht ermüdend, er ist hinreißend!«, versicherte Fiona, »Doch vielleicht …«
»Ich habe ihn schon gesehen«, meinte Melissa, »und er ist ein kleiner Engel, aber vielleicht ist er tatsächlich nicht interessant, wenn wir Angus hier bei uns haben, der uns von seinen Abenteuern erzählen kann.«
Über Rory zu reden war das Letzte, was Sian wollte, und sie hätte Melissa eigentlich dankbar sein müssen, doch irgendwie konnte sie das nicht. Im Gegenteil, sie spürte Ärger in sich aufsteigen.
»Erzähl uns von deinen Abenteuern!«, beharrte Melissa. »Wir sind alle ganz gespannt, davon zu hören.«
Sian zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl sie nur eines wollte: nach Hause gehen und sich verstecken, bis sie Zeit gehabt hatte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Gus hier war. Aber es war unmöglich, sich jetzt schon zu verabschieden. Sie würde nach dem Kaffee sehen, entschied sie. Das würde nicht komisch wirken. Und sie konnte Fiona dabei helfen, ihn zu servieren. So würde sie immerhin beschäftigt sein.
Sian lauschte seinen Abenteuern; Gus konnte wirklich sehr lustig erzählen. Sein Buch musste brillant sein. Während er redete, warf er ihr ständig bedeutsame Blicke zu. Sian versuchte, sie zu ignorieren. Sie wollte sich nicht noch mehr verwirren lassen. Doch auch er wirkte irritiert. Er konnte offensichtlich nicht verstehen, wieso sie sich so reserviert ihm gegenüber verhielt. Wenn es Rory nicht geben würde und in gewisser Hinsicht Richard, hätte Sian sich vielleicht ganz anders gegeben. Aber was zwischen ihnen gewesen war, lag eine Ewigkeit zurück, und sie, Sian, war nicht mehr dieselbe.
Sie war sehr erleichtert, als sie endlich aufstehen und Fiona helfen konnte, den Tisch abzuräumen.
7
Gus, dachte Sian zum hundertsten Mal, seit sie Fionas schicksalhafte Dinnerparty verlassen hatte. Die ganze Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Was sollte sie seinetwegen unternehmen? Da Jodys Familie Rory eingeladen hatte, mit ihnen heute noch einen Indoor-Spielplatz zu besuchen, hatte Sian viel Zeit zum Nachdenken – viel zu viel Zeit! Sie wünschte sich fast, Jody würde anrufen und erklären, Rory wolle doch unbedingt nach Hause kommen. Sian sehnte sich danach, von seinem Geplapper abgelenkt zu werden.
Aber Richard hatte sich zum Essen angemeldet, deshalb konnte sie sich jetzt beschäftigen. Es gab nichts Besseres als die Lektüre eines Kochbuchs, um die Nerven zu beruhigen. Dann erinnerte Sian sich wieder daran, dass Richard Experimente beim Essen nicht schätzte.
Doch während sie die Zwiebeln anbriet, um den Makkaroni-Auflauf damit zu garnieren, und kurz darauf Butter, Zucker und Mehl mischte, um einen Streuselkuchen zu backen, ja, sogar, während sie sich die Zähne putzte und sich schminkte, wanderten ihre Gedanken wieder zu Gus. Sie konnte es einfach nicht ändern. Aber je mehr sie über ihn nachdachte, desto verwirrter und unruhiger wurde sie. Wie sollte sie mit der Situation umgehen, die sie niemals für möglich gehalten hätte? Gus war hier, er lebte praktisch direkt neben seinem Sohn, von dessen Existenz er nichts wusste. Wie sollte sie es ihm sagen? Musste sie es ihm überhaupt sagen? Durfte sie es riskieren? Würde er ein guter Vater sein? Rory – und sie – brauchten Stabilität und Verlässlichkeit, jemanden, der nicht nur für Spaß und Abenteuer im Leben sorgen würde, sondern der da war, wenn es in der Schule Ärger gab, der tröstete und beruhigte.
Sian wusste eigentlich fast nichts über Gus, obwohl sie die Hälfte der Nacht – jener wunderbaren Nacht, die ihr jetzt wie ein ferner Traum vorkam – mit ihm geredet hatte. Und obwohl sie sich körperlich immer noch zu ihm hingezogen fühlte, konnte sie nicht sagen,
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