Sommer der Liebe
und sich zwanglos mit ihm zu unterhalten, ohne dass Spannungen zwischen ihnen die Atmosphäre vergifteten. Sie konnten »eine ganz normale kleine Familie« sein, wie Melissa sagen würde. Sian rief sich selbst zur Ordnung; sie wollte nicht an Melissa denken und auch nicht an die Zukunft oder das, was sie vielleicht bringen würde. Sie wollte einfach diesen harmonischen Moment genießen.
»Ich dachte, dass du es lieber etwas gemütlicher hättest«, sagte Gus. »Rory und ich werden irgendwann richtig zünftig wandern gehen. Natürlich nur, wenn deine Mum nichts dagegen hat, Kumpel.«
»Mum?« Rory, der langsam müde wurde und einzuschlafen drohte, bevor sein Würstchen fertig war, setzte sich ruckartig wieder auf. »Darf ich mit Gus wandern gehen?«
»Natürlich«, sagte Sian. Sie war wirklich davon überzeugt, dass Rory bei Gus ganz sicher war.
Es war nicht einfach, in der einbrechenden Dunkelheit Gus’ Gesichtsausdruck zu erkennen, aber Sian meinte, Wärme darin zu sehen. »Danke, Sian«, sagte er. »Ich bin froh, dass du uns Männern zutraust, allein loszuziehen.«
»Rory wurde dazu erzogen, vernünftig zu sein, und da ich Fiona kenne, nehme ich an, das wurdest du auch. Ich bin sicher, ihr zwei kommt zurecht.« Sie kicherte. »Schatz«, sagte sie zu Rory, »ich glaube, du solltest dich jetzt in deinen Schlafsack kuscheln. Dann kannst du dein Würstchen essen und schlafen gehen.«
»Ich bin müde«, murmelte er. »Kann ich Ketchup dazu haben?«
»Natürlich.«
Während Gus sich mit dem Würstchen beschäftigte, steckte Sian Rory in den Schlafsack. »Du kannst dich aufsetzen und essen, und wenn du satt bist, kriechst du in die Hütte. Gus wird dir helfen.«
Rory kicherte. Er raschelte mit dem Schlafsack und spielte, er wäre eine Raupe, doch nachdem er in der Hütte lag, auf deren Boden jetzt eine Decke ausgebreitet war, bekam er es mit der Angst zu tun. »Es ist hier drin so dunkel! Du gehst doch nicht weg, oder, Mummy?«, fragte er nervös, wieder ihr kleiner Junge.
»Nein. Wir sind beide hier«, versicherte ihm Gus. »Du kannst uns am Feuer sehen. Und später schlafen wir in der Hütte bei dir. Du bist nicht allein.«
»Ich möchte eine Geschichte hören!«
»Schatz, es ist ein bisschen schwierig, bei diesem Licht zu lesen«, sagte Sian.
»Hast du ein Buch dabei?«, fragte Gus.
»Ja!«, rief Rory. Er wühlte in seinem Rucksack und zog es heraus. »Mum meinte, ich soll eins mitnehmen, weil du es mir vielleicht vorliest«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
»Dann komm noch mal aus der Hütte!« Gus kramte jetzt in seinem eigenen Rucksack. »Was für ein Buch ist es?«
»Brer Rabbit« , sagte Rory und kroch in seinem Schlafsack aus der Hütte. »Es gehört Grandpa.«
»Hier.« Gus gab Rory etwas, das wie ein dickes Gummiband aussah. Als er sich selbst auch eines aufsetzte, wurde Sian klar, dass es eine Kopflampe war. »Kopflampen sind wichtig im Dunkeln, wenn man auf einer Wanderung ist. Man muss schließlich sehen, wohin man seine Füße setzt, und die Hände frei haben. Die gehört übrigens dir«, sagte Gus beiläufig und half Rory, die Bänder so anzupassen, dass die Lampe fest saß.
»Oh, Gus, das ist aber nett von dir!«
»Danke, Gus!«, rief Rory begeistert.
»Ich schalte sie für dich ein. Es ist am Anfang ein bisschen schwierig.«
Sian legte sich zurück und sah den beiden zu. Sie aß noch einen Burger, während Vater und Sohn sich mit ihren Kopflampen aneinanderkuschelten. Wer wäre bei ihrem Anblick nicht dahingeschmolzen? Sian biss noch einmal in ihren Burger und versuchte, die Rührung abzuschütteln. Sie durfte jetzt auf keinen Fall sentimental werden.
Gus las sehr gut vor und imitierte dabei die verschiedenen Stimmen. Rory kicherte und wurde sichtlich noch müder. Immer wieder sackte sein Kopf nach vorn, doch dann hob er ihn wieder, fest entschlossen, wach zu bleiben. Die Geschichte endete, und Gus streifte Rory vorsichtig die Kopflampe ab. »Komm, Kumpel.« Er hob den Jungen hoch und zwängte sich mit ihm in die Hütte.
Obwohl er schon fast eingeschlafen war, murmelte Rory: »Kann die Taschenlampe eingeschaltet bleiben?«
»Sicher, wenn du willst«, sagte Gus. »Aber du kannst doch das Feuer draußen sehen; das verbreitet ein viel schöneres Licht. Deine Mum und ich sind gleich hier. Und wenn du aufwachst, liegen wir vielleicht schon neben dir.«
»Okay.« Rory seufzte. »Ich kann ja mal die Augen zumachen …«
»Ich muss zugeben, dass du sehr gut mit ihm umgehst«, sagte Sian
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