Sommer der Nacht
bei brennender Lampe, während Falter gegen die Scheiben prallten und versuchten, zum Licht zu kommen. So war es, aber der Soldat stand auch vor dem Fenster und drückte das Gesicht gegen die Scheibe.
Mike stand nur da und sah ihn an.
Es regnete heftig draußen, das innere Fenster war geschlossen, bis auf einen schmalen Spalt, durch den der frische Geruch der nassen Felder auf der anderen Straßenseite hereindrang, und der Soldat hatte sich gegen das Fliegengitter gedrückt, bis dieses sich nach innen bog und die Scheibe berührte. Mike sah den Uniformhut, von dessen Krempe Wasser tropfte, das nasse Khakihemd, das nur sechzig Zentimeter entfernt von Memos Lampe beschienen wurde, den Sam Browne-Gürtel und die Messingknöpfe.
Vom Hut eines Gespensts tropft kein Wasser.
Der Soldat hatte das Gesicht gegen das Fenster gedrückt: nicht gegen das Fliegengitter, sondern gegen das Glas. Mike stand mit offenem Mund und herunterhängender Baseballmütze zwischen Memo und der Erscheinung. Er war keine drei Schritte von der Gestalt am Fenster entfernt.
Als Mike den Soldaten beim letztenmal gesehen hatte, hatte er den Eindruck gehabt, als wäre das Gesicht des jungen Mannes glänzend, fettig, weniger ein Gesicht als vielmehr der Abguß eines Gesichts in weichem Wachs. Jetzt war das weiche Wachs dieses Gesichts durch die Drahtmaschen des Fliegengitters gedrungen und drückte sich am Glas platt, zerfloß und breitete sich auf der Scheibe aus wie das fleischähnliche Pseudopodium einer fleischfarbenen Schnecke.
Der Soldat hob vor Mikes Augen die Hände und legte sie flach auf den feinen Maschendraht. Seine Finger und Handflächen flössen durch das Gitter wie eine Kerze, die in Zeitraffer schmilzt. Am Glas bildeten sie sich neu und wurden zu wachsartigen Fingern und einer glänzenden Handfläche. Der Arm floß aus dem Khakiärmel wie eine langsame Wasserfontäne, die Hand glitt am Fensterglas entlang. Mike sah auf und erblickte, wie das Gesicht versuchte, Form anzunehmen, wie die Augen in der Wüstenei schwammen wie Rosinen in einem Reispudding. Die Hände glitten tiefer.
Zur Öffnung.
Da schrie Mike und rief nach seiner Mutter und seinem Vater. Er ging nach vorne und schlug mit dem Baseballschläger auf den Fensterrahmen, so daß das Fenster zufiel, als zehn geschmolzene Fingerstränge gerade versuchten, durch den Spalt zu dringen. Die Arme und Hände - die inzwischen über einen Meter lang geschmolzen waren - flössen zur Seite wie fleischige Tentakel und suchten nach einer Öffnung.
Mike hörte die Stimme seiner Mutter, sein Vater stand unter Quietschen von Bettfedern auf. Peg rief die Treppe herunter und Kathleen fing an zu weinen. Sein Vater knurrte etwas, dann waren die Schritte von bloßen Füßen im Flur zu hören.
Finger und Gesicht des Soldaten flössen von der Scheibe weg, durch das Fliegengitter zurück und formierten sich wieder so schnell wie ein rückwärts laufender Film zu einem Simulakrum der menschlichen Gestalt. Mike schrie wieder, ließ den Schläger fallen, beugte sich nach vorne, um das Fenster noch fester zuzudrücken, wobei er die Petroleumlampe vom Tisch stieß. Der Schirm zerschellte, aber die Lampe landete auf dem Metallfuß, und Mike bückte sich und hob sie auf, bevor Petroleum auf den Teppich auslaufen und diesen entflammen konnte.
In diesem Augenblick erschien sein Vater unter der Tür und die Gestalt am Fenster verschwand - sie sackte mit angelegten Armen senkrecht nach unten, als würde sie auf einem Lastenaufzug stehen.
»Was ist hier los?« brüllte Jonathan O'Rourke. Seine Frau kam hereingestürzt und sah nach Memo, die heftig im flackernden Licht blinzelte.
»Habt ihr ihn gesehen?« rief Mike und hob die Lampe mit der offenen Flamme. Er hielt sie gefährlich nahe an die Vorhänge. »Habt ihr ihn gesehen?«
Sein Vater betrachtete böse die zerschellte Lampe, den unordentlichen Tisch, das zugeschlagene Fenster und den Baseballschläger auf dem Boden. »Gottverdammt, das ist jetzt weit genug gegangen.« Er riß die Vorhänge so wütend auf, daß die Kordel sich löste und die Gardine hinter den Tisch fiel. Im hohen Rechteck des Fensters war nur Nacht und der Regen zu sehen, der von den Rinnen tropfte. »Verdammt, da draußen ist niemand.«
Mike sah seine Mutter an. »Er hat versucht hereinzukommen.«
Sein Vater stieß das Fenster hoch. Nach dem Gestank von Petroleum und Angst im Zimmer tat die frische Luft gut. Sein Vater schlug mit der schweren Hand auf den Sims. »Der verdammte
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