Sommer der Nacht
die Freude am Lesen teilte. Duanes Mutter war gestorben, ehe er alt genug gewesen war, sie wirklich kennenzulernen, und die Jahre seither waren hart gewesen, weil die Farm zum Teufel ging und der Alte trank, er gelegentlich geschlagen und noch häufiger allein gelassen wurde, aber es gab auch schöne Zeiten - der normale Tagesablauf, wenn der Alte nüchtern war, der Zyklus harter Arbeit im Sommer, auch wenn sie nicht nachkamen, die langen Abende, wenn sie beiden sich mit Onkel Art unterhielten ... drei Junggesellen, die Steaks im Garten grillten und über alles unter den Sternen redeten - einschließlich der Sterne.
Duanes Alter hatte Harvard verlassen, aber seinen Magister in Ingenieurwissenschaften an der Universität von Illinois gemacht, bevor er zurückgekommen war und die Farm seiner Mutter übernommen hatte. Onkel Art war Weltenbummler und Dichter gewesen - ein Jahr bei der Handelsmarine, im nächsten Lehrer an einer Privatschule in Panama, in Uruguay und Orlando. Auch wenn sie zuviel tranken, waren ihre Gespräche für den dritten Junggesellen in der Runde von Interesse, den jungen Duane, und er sog die Informationen mit dem unstillbaren Hunger der Hochbegabten in sich auf.
Niemand in Elm Haven oder dem Schulsystem von Creve Coeur County betrachtete Duane McBride als begabt. Der Ausdruck existierte im ländlichen Illinois des Jahres 1960 einfach nicht. Er war dick. Er war seltsam. Die Lehrer beschrieben ihn oft - in schriftlichen Beurteilungen oder bei den seltenen Elternabenden - als schlampig, unmotiviert, unaufmerksam. Aber kein Problem der Disziplin. Lediglich eine Enttäuschung. Duane bemühte sich nicht genug.
Wurde er von seinen Lehrern darauf angesprochen, entschuldigte sich Duane, lächelte und widmete sich weiter den privaten Gedanken oder Projekten, die ihn zu dem Zeitpunkt beschäftigten. Die Schule war kein Problem, eigentlich nicht einmal ein Hindernis, da ihm das Konzept der Schule gefiel ... sie war lediglich eine Ablenkung von seinen Studien und Vorbereitungen, Schriftsteller zu werden.
Besser gesagt, sie wäre lediglich eine Ablenkung gewesen, hätte ihm nicht etwas an Old Central Kopfzerbrechen bereitet. Nicht so sehr die Kinder. Nicht einmal Rektor und Lehrer, so dumpfbackig und provinziell sie schienen. Da war noch etwas anderes.
Duane kniff die Augen im trüben Licht zusammen und blätterte in seinem Notizbuch ein paar Seiten zurück bis gestern, dem letzten Schultag:
>Anderen scheint der Geruch hier nicht aufzufallen, oder wenn doch, sprechen sie nicht darüber: ein Geruch von Kälte, von Fleischtruhen, ein Hauch Verwesung wie damals, als die Färse hinter dem Südteich gestorben ist und der Alte und ich sie erst nach einer Woche gefunden haben.
Das Licht in Old Central ist seltsam. Schwer. Einmal hat der alte Mann mich mit in ein verlassenes Hotel in Davenport mitgenommen, als er das ganze Mobiliar plündern und ein Vermögen machen wollte. Schweres Licht. Durch Staub und dicke Vorhänge und Erinnerungen an einstigen Ruhm gefiltert. Auch derselbe staubige, hoffnungslose Geruch. Erinnere mich an einen Schacht Sonnenlicht von einem hohen Fenster zum Parkettboden des leeren Ballsaals - wie von den Buntglasfenstern über der Treppe in Old Central?
Nein. Mehr ein Gefühl von ... Vorahnung? Dem Bösen? Zu melodramatisch. Beiden Orten ist ein Gefühl des Lebendigen eigen. Und das Wuseln von Ratten in Old Central spricht. Man sollte meinen, die Leute vom Gesundheitsamt des County dürften nicht sehr erbaut vom Gedanken an eine Grundschule voller Ratten sein, Rattendreck überall und Ratten, die auf den Rohren im Keller entlanglaufen, wo die Toiletten sind. Ich weiß noch, als ich in Old Central in die zweite Klasse ging und einmal da runter mußte ... < Duane blätterte weiter zu den Aufzeichnungen, die er heute nachmittag im Bandstand Park gemacht hatte.
>Dale, Lawrence (niemals Larry), Mike, Kevin und Jim. Wie soll man Erbsen in einer Schote beschreiben?
Dale, Lawrence, Mike, Kevin und Jim. (Wie kommt es, daß alle >Harlen< zu Jim sagen? Man hat den Eindruck, sogar seine Mutter. Sie ist ja gar keine Harlen mehr. Hat ihren Mädchennamen wieder angenommen, als sie geschieden wurde. Wen kenne ich noch in E. H., der geschieden ist? Niemand, wenn man die Frau von Onkel Art nicht mitrechnet, die ich nie kennengelernt habe und an die er selbst sich wahrscheinlich nicht einmal mehr erinnert, weil sie Chinesin war und die Ehe nur zwei Tage gehalten hat, und das vierundzwanzig Jahre vor
Weitere Kostenlose Bücher