Sommer der Nacht
mir leid, daß du gestorben bist.«
Duane zuckt die Achseln.
Mike biß sich auf die Lippe. Er mußte es fragen. »Hat es weh getan? Das Sterben, meine ich.«
Duane aß einen Apfel. Jetzt hielt er inne. »Klar hat es weh getan.«
»Tut mir leid.« Mike wußte nicht, was er sonst sagen sollte. Auf der anderen Seite von Duanes Felsen spielte ein Welpe mit einem Beißspielzeug, aber Mike stellte mit der unbekümmerten Gelassenheit fest, die Träumen eigen ist, daß es sich nicht um einen Hund, sondern um einen kleinen Dinosaurier handelte. Das Beißspielzeug war ein grüner Gorilla.
»Du hast ein echtes Problem mit diesem Soldaten«, sagte Duane. Er bot Mike einen Bissen von seinem Apfel an.
Mike schüttelte den Kopf. »Stimmt.«
»Weißt du, die anderen Jungs haben auch Probleme.«
»Ach ja?« sagte Mike. Ein Flugzeug, das teilweise ein Vogel war, verdeckte die Sonne. Es brauste über das Tal dahin. »Welche anderen Jungs?«
»Du weißt schon, die anderen Jungs.«
Das sagte Mike alles. Er sprach von Dale und Harlen. Eventuell Kev.
»Wenn ihr Jungs weiter versucht, auf euch allein gestellt gegen dieses Ding zu kämpfen«, sagte Duane, der sich die Brille zurechtrückte und endlich die Aussicht bewunderte, »wird es euch wie mir ergehen.«
»Was können wir tun?« fragte Mike. Er bekam am Rande mit, daß irgendwo ein Hund bellte - ein richtiger Hund - und Geräusche im Hintergrund zu hören waren, die ihn mehr an sein Haus am Nachmittag als an diesen Ort hier erinnerten.
Duane sah ihn nicht an. »Findet heraus, wer diese Typen sind. Fangt mit dem Soldaten an.«
Mike stand auf und ging zum Rand der Klippe. Jetzt konnte er nichts mehr da unten sehen; nur noch Wolken oder Nebel oder so etwas. »Wie soll ich das machen?«
Duane seufzte. »Nun, hinter wem ist es her?«
Mike fand es nicht einmal seltsam, daß Duane >es< und nicht >er< gesagt hatte. Der Soldat war ein Es. »Hinter Memo.«
Duane nickte und rückte mit einer ungeduldigen Bewegung seines Fingers die Brille zurecht. »Na dann frag Memo eben!«
»Okay«, stimmte Mike zu. »Aber wie sollen wir den ganzen anderen Plunder rauskriegen? Ich meine, wir sind nicht so schlau wie du.«
Duane hatte sich nicht bewegt, aber jetzt saß er irgendwie viel weiter weg. Auf demselben Felsen, aber weiter weg. Und sie waren nicht mehr auf einem Gipfel, sondern auf der Straße einer Stadt. Es war dunkel, irgendwie kalt... vielleicht ein Wintertag. Duanes Fels war in Wirklichkeit eine Bank. Es sah aus, als würde er auf einen Bus warten. Er sah Mike stirnrunzelnd, beinahe wütend an. »Du kannst mich jederzeit fragen«, sagte er. Als er sah, daß Mike das nicht verstand, fügte er hinzu: »Außerdem bist du schlau.«
Mike wollte Einwände erheben, wollte Duane sagen, daß er normalerweise nicht die Hälfte von dem verstanden hatte, was der größere Junge sagte, und schätzungsweise ein Buch pro Jahr las, mehr nicht, aber er stellte fest, daß Duane in seinen Bus einstieg. Aber es war gar kein Bus, es war mehr eine gigantische Landmaschine mit Fenstern an der Seite, einem kleinen Fahrerhaus oben wie bei Flußschiffen, von denen Mike Bilder gesehen hatte, und einem Schaufelrad vorne, das aus kreisenden Schneiden zu bestehen schien.
Duane lehnte sich aus einem der Fenster hinaus. »Du bist schlau«, rief er zu Mike herunter. »Schlauer als du denkst. Außerdem hast du einen echten Vorteil.«
»Was für einen?« rief Mike, der jetzt laufen mußte, um mit dem Bus/der Landmaschine Schritt zu halten. Er konnte nicht sagen, welcher der rudernden Arme und nickenden Köpfe Duane McBri-de gehörte.
»Du lebst«, sagte Duane McBrides Stimme. Die Straße war verlassen.
Mike wachte auf. Er war immer noch heiß, und alles tat ihm weh, aber sein Pyjama und das Laken waren durchgeschwitzt. Es schien früher Nachmittag zu sein. Gespiegeltes Sonnenlicht und ein träger Lufthauch drangen durch das Fliegengitter. Obwohl der Ventilator in der Diele lief, mußte es fünfunddreißig Grad hier oben haben. Mike konnte hören, wie seine Mutter oder eine seiner Schwestern unten staubsaugte.
Mike wäre für einen Schluck Wasser gestorben, aber er fühlte sich momentan zu schwach zum Aufstehen und wußte, über den Lärm des Hoover hinweg konnten sie ihn unten nicht hören. Er begnügte sich damit, sich näher zum Fenster zu drehen, damit er ein wenig von der Brise abbekam. Er betrachtete das Gras im Vorgarten beim Vogelbad, das sein Großvater ihnen vor Jahren gegeben hatte.
FragMemol Okay,
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