Sommer der Nacht
Dale, dann blinzelten beide mit in die Stirn gezogenen Baseballmützen zu dem Lastwagen.
»Ich weiß nicht«, sagte Dale. »Ich kann wegen der blöden Sonne das Führerhaus nicht sehen. Aber Van Syke fährt den Wagen normalerweise den Sommer über, oder nicht?«
Gerry Daysinger hatte einsatzbereit hinter Dale gewartet. Jetzt hielt er den Schläger wie ein Gewehr und verzog das Gesicht. »Ja, den fährt Van Syke ... meistens.«
Dale sah den jungen an. Alle wußten, daß Gerrys Vater den Abdeckereiwagen manchmal fuhr oder den Friedhof mähte ... Gelegenheitsarbeiten in der Stadt, die Van Syke normalerweise erledigte. Niemand hatte Mr. Van Syke je mit einem Freund gesehen, aber Gerrys Dad hing manchmal mit ihm herum.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Daysinger: »Es ist Van Syke. Mein Alter ist heute droben in Oak Hill und arbeitet auf dem Bau.«
Donna Lou kam vom Hügel; sie hatte immer noch den Handschuh über der unteren Gesichtshälfte. »Was will er?«
Mike O'Rourke zuckte die Achseln. »Ich sehe nichts Totes hier, ihr etwa?«
»Nur Harlen«, sagte Gerry und warf Jim, der zur Gruppe geschlurft kam, einen Dreckklumpen entgegen.
Der Abdeckereiwagen stand da, zehn Meter entfernt, das gleißende Sonnenlicht machte die Windschutzscheibe undurchsichtig, und die dicke Farbschicht des Führerhauses sah wie getrocknetes Blut aus. Durch die Ritzen an der Seite konnte Dale graue und schwarze Felle erkennen, noch einmal eine Andeutung von Hufen bei der Heckklappe und etwas Großes und Braunes und Aufgedunsenes dicht hinter der Kabine. Die vier Beine, die himmelwärts ragten, waren die einer Kuh. Dale zog den Schirm der Mütze tiefer und konnte weiße Knochen hinter verwesten Häuten erkennen. Die Luft war vom Summen der Fliegen erfüllt, die über dem Laster schwebten wie eine schwarze Wolke.
»Was will er?« fragte Donna Lou wieder. Die Sechstkläßlerin hing schon seit Jahren mit den Jungs der Fahrradpatrouille herum - sie war die beste Werferin der Mannschaft -, aber diesen Sommer war Dale aufgefallen, wie groß sie geworden war ... das, und die Kurven unter ihrem T-Shirt.
»Gehen wir ihn fragen«, sagte Mike. Er warf den Handschuh hin und ging auf die Öffnung im Schutzgitter zu.
Dale spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er konnte Van Syke schon im günstigsten Fall nicht ausstehen. Wenn er an ihn dachte - sogar im Zusammenhang mit der Schule, wo Dr. Roon und die Lehrer in Rufweite waren -, sah er das Bild von langen, spinnengleichen Fingern mit schmutzigen Nägeln, dreckigen Falten in einem Nacken voller Pusteln und gelben Zähnen, die viel zu groß waren. Wie die Zähne der Ratten auf der Müllhalde.
Und der Gedanke, näher zu diesem Wagen zu gehen - und dem Gestank - drehte Dale wieder die Eingeweide um.
Mike war beim Zaun angelangt und ging durch die schmale Öffnung darin.
»He, Moment mal!« rief Harlen. »Seht!«
Ein Mädchen kam den Feldweg entlanggefahren, das Rad schwang aufs rechte Feld und überquerte in einem Regen von Klümpchen den Aschenplatz. Dale sah das Damenrad und erkannte das Mädchen, das gefahren kam, war Sandra Whittaker, Donna Lous Freundin.
»Puuuh«, sagte Sandy, als sie mit dem Rad schlitternd bei der Gruppe hielt. »Was ist denn gestorben?«
»Mikes tote Vettern sind gerade hergefahren worden«, sagte Har-len. »Er wollte eben rübergehen und sie begrüßen.«
Sandy warf Harlen einen Blick zu, ließ ihn aber mit einem Schlenkern ihrer Zöpfe links liegen. »Ich hab' Neuigkeiten. Etwas Unheimliches geht vor sich!«
»Was?« sagte Lawrence und rückte die Brille zurecht. Die Stimme des Drittkläßlers klang nervös.
»J. P. und Barney und alle sind in Old Central. Cordie ist auch da und ihre Mom, die so gruslig aussieht. Roon ist dort. Alle. Sie suchen nach Cordies dummem Bruder.«
»Tubby?« sagte Gerry Daysinger. Er wischte sich die laufende Nase mit dem Handrücken ab und diesen wiederum an seinem grauen T-Shirt. »Ich dachte, der wäre am Mittwoch abgehauen.«
»Ja«, keuchte Sandy, die jetzt zu Donna Lou sprach, »aber Cordie denkt, daß er noch in der Schule ist! Unheimlich, hm?«
»Gehen wir«, sagte Harlen, der zu der Reihe Fahrräder beim ersten Base lief. Die anderen folgten ihm, zogen Lenkstangengriffe aus den Zaunmaschen und verstauten Baseballhandschuhe auf Gepäckträgern oder steckten sie auf Schläger, die sie über den Schultern trugen.
»He!« rief Mike von der anderen Seite des Schutzgitters. »Was ist mit Van Syke?«
»Gib ihm einen Kuß
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