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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hat, dann nicht, dachte Mike. Er sagte: »Nein, Sir. Ich glaube nicht. Er war blaß. Aber es war ziemlich dunkel.«
    »Aber Narben oder Lasuren hast du nicht gesehen?«
    »Was sind Lasuren, Sir?«
    »So etwas wie tiefe Kratzer? Oder offene Schwären?« »Nein, Sir.«
    Der Sheriff seufzte und griff in eine kleine Sporttasche. »Gehört die dir, Junge?« Er hielt die Wasserpistole hoch.
    Mikes erster Gedanke war, es zu leugnen. »Ja, Sir«, sagte er.
    Der Sheriff nickte. »Das hat deine Schwester auch gesagt. Bist du nicht ein bißchen alt, um mit Spritzpistolen zu spielen?«
    Mike zuckte die Achseln und brachte einen verlegenen Gesichtsausdruck zustande.
    »Hast du das gestern abend auf der Veranda dabei gehabt? Als Pater C. zu Besuch gekommen ist?«
    »Nein, Sir«, sagte Mike.
    »Bist du sicher?«
    »Ja, Sir.«
    »Wir haben sie unter dem Fenster gefunden«, sagte der Sheriff. Er setzte den Hut wieder auf den Kopf und lächelte zum erstenmal während des Verhörs. »Es zeigt, wie paranoid ich auf meine alten Tage werde ... ich habe das Polizeilabor in Oak Hill doch tatsächlich den Inhalt analysieren lassen. Wasser. Nur Wasser.«
    Mike erwiderte sein Lächeln.
    »Hier, Junge. Da hast du dein Spielzeug wieder. Kannst du mir sonst noch was erzählen, das mich weiterbringen könnte? Zum Beispiel, woher der stammt?« Er hielt den Uniformhut des Soldaten hoch.
    »Nein, Sir. Vielleicht lag er in den Büschen, Sir. Pater C. hat ihn aufgehabt, als er das Fliegengitter weggerissen hat.«
    »Ist das derselbe Hut, den du gesehen hast, als du vor ein paar Wochen einen Soldaten als Spanner gemeldet hast?«
    »Kann sein, Sir. Ich weiß nicht.«
    »Aber es war so eine Art von Hut?«
    »Ja, Sir.«
    »Und als du diesen Soldaten das letztemal im Vorgarten gesehen hast, hast du den Priester nicht erkannt?« Der Sheriff sah Mike eindringlich an.
    Mike dachte eine Weile nach, wie bei den letzten Malen, als man ihm diese Frage gestellt hatte. »Nein, Sir«, sagte er schließlich. »Vorher hätte ich gesagt, daß es nicht Pater Cavanaugh war... als ich ihn zum erstenmal gesehen habe, sah er kleiner aus ... aber es war dunkel, und ich habe durch die Vorhänge gesehen.« Mike machte eine unsichere Geste mit der Hand. »Tut mir leid, Sir.«
    Der Sheriff stemmte sich von der Couch hoch, auf der er saß, legte Mike eine große Hand auf die Schulter und sagte: »Schon gut, Junge. Danke für deine Hilfe. Tut mir leid, daß du das letzte Nacht sehen mußtest. Wir werden vielleicht nie erfahren, was mit diesem Herrn nicht gestimmt hat - deinem Pater Cavanaugh, meine ich -, aber ich bezweifle, daß er vorhatte, was er getan hat. Ob es an dem Fieber lag, von dem die Ärzte gesprochen haben, oder an etwas anderem, ich glaube nicht, daß der gute Mann seine fünf Sinne beisammen hatte.«
    »Ich auch nicht, Sir«, sagte Mike und brachte den Sheriff zur Tür. Mikes Vater und Mutter warteten auf der Veranda. Alle drei winkten, als das Auto des Sheriffs langsam die First davonfuhr.
    »Machen wir es heute nachmittag«, sagte Harlen eine Stunde später im Baumhaus. Sie waren alle da... alle außer Cordie Cooke. Harlen und Dale waren gleich nach dem Frühstück zur Müllkippe gefahren, um sie zu suchen, aber es war keine Spur von ihr zu finden gewesen, abgesehen von ein paar zerfransten Decken in einem baufälligen Schuppen bei den Gleisen.
    Mike seufzte; er war zu müde zum Diskutieren. Dale sagte: »Das haben wir schon besprochen, Jim.«
    Kevin blätterte einen Onkel-Dagobert-Comic durch -etwas über Wikingergold, wie man dem Umschlag entnehmen konnte-, legte ihn aber weg und sagte: »Wir warten bis morgen. Ich werde Dads Laster nicht vor seinen Augen stehlen. Wir müssen ihn davon überzeugen, daß ihn jemand anders genommen und Old Central mit Benzin überschüttet hat.«
    Harlen schnaubte. »Wer denn? Alle Verdächtigen sind tot. Das wird die tollste Woche in der ganzen Geschichte von Elm Haven, und früher oder später wird jemand dahinterkommen, daß wir etwas damit zu tun hatten...«
    »Wenn du deine große Klappe hältst, nicht«, sagte Dale.
    »Wer will mich denn dazu zwingen, Stewart?« höhnte Harlen.
    Die beiden Jungs beugten sich zueinander, bis Mike sie auseinanderdrängte. »Hört auf!« Seine Stimme klang sehr müde. »Eines steht fest, wir werden heute nacht nicht allein schlafen und uns nacheinander von diesen Wesen holen lassen.«
    »Richtig«, sagte Harlen und lehnte sich an einen dicken Ast, »versammeln wir uns, so daß sie uns auf einen

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