Sommer der Sehnsucht
murmelte Jesse. „Manchmal glaube ich, sie hat ihre Netze überall ausgeworfen, und ich lasse mich immer wieder von ihr einfangen.“
„Dann schneide ein Loch rein, und hau ab. So einfach ist das.“
Jesse sah seinen Bruder an und seufzte. Justice hatte ja recht. „Genau das ist das Problem. Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht, ob ich wieder abhauen will.“
Die Surfshow war ein voller Erfolg. Von überall her waren Menschen nach Morgan Beach gekommen, um dabei zu sein, wenn einige der besten Surfer der Welt die Wellen bezwangen.
Scheinbar mühelos glitten sie in rasender Geschwindigkeit über das Meer oder durch Wassertunnel hindurch, um sich dann auf ihren Boards von meterhohen Wellen in die Luft katapultieren zu lassen. Ab und zu brach die Sonne sich ihren Weg durch die Wolken und ließ die Meeresoberfläche glitzern. Die Show bildete den perfekten Abschluss der Sommersaison und bescherte den Besitzern der Läden und Boutiquen noch einmal einen guten Umsatz. Bella hatte ihr Geschäft jedoch geschlossen, um die Kunststücke der Surfer nicht zu verpassen. Und natürlich wollte sie Jesse sehen.
Sie hatte einen guten Platz auf der Tribüne ergattert, die extra für diesen Tag aufgebaut worden war. Am Ende ihrer Sitzreihe hatte sie einen freien Blick auf die Surfer, die entweder aus dem Wasser kamen oder sich bereit machten. Außerdem hatte Bella nette Gesellschaft. Jesses Cousin Jackson war mit seiner Frau Casey und den Töchtern Mia und Molly angereist.
„Er ist wirklich gut, was?“, flüsterte Casey, während sie aufs Meer blickte, wo Jesse gerade eine meterhohe Welle bezwang.
Als die Zuschauer begeistert zu klatschen begannen, lächelte Bella. Aufgeregt hatte sie Jesses Meisterleistungen verfolgt. Mit seiner ungeheuren Anmut und Eleganz stellte er jeden anderen Surfer lässig in den Schatten, fand sie.
„Ja, er ist wirklich gut“, antwortete Bella, ohne den Blick von dem Mann zu wenden, der mittlerweile aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war. Jeden Tag, den sie mit Jesse verbrachte, verliebte sie sich mehr und mehr in ihn.
Wenn sie doch nur wüsste, ob es ihm genauso ging. Empfand er dasselbe für sie? Und wenn nicht, hätte sie die Kraft, das zu verarbeiten? Bella schloss die Augen, seufzte und ermahnte sich, statt zu grübeln, den Moment zu genießen. Was immer die Zukunft für sie bereithielt, sie hätte unzählige Erinnerungen an wunderbare Momente.
„Natürlich ist er das“, schaltete sich Jackson ein. „Er ist schließlich ein King. Molly, Herzchen, nicht das Papier essen.“
„Papier?“, wiederholte Casey und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihre kleine Tochter. „Was denn für Papier?“
„Nichts. Mach dir keine Sorgen“, erwiderte Jackson beruhigend. „Wahrscheinlich war es nur eine kleine Fluse.“
Seufzend nahm Casey ihre zweijährige Tochter auf den Schoß nahm. „Also wirklich, Jackson.“
„Ich habe ihr gesagt, sie soll den Kuchen und nicht das Papier essen, oder, Mia?“ Er kitzelte seine ältere Tochter.
Als das Mädchen lachte, musste Bella wehmütig seufzen. Seit Jesses Cousin mit seiner Familie angereist war, hatten sie gemeinsam viel Spaß gehabt. Und Jesse war im Kreis seiner Familie wie ein anderer Mensch. Bella hatte ihn beobachtet, als er mit den beiden Mädchen gespielt hatte, und merkwürdigerweise Muttergefühle empfunden. Plötzlich hatte sie sich gefragt, wie es wohl wäre, Jesses Ehefrau zu sein und Kinder mit ihm zu haben. Wie es wäre, die Wärme immer wieder zu spüren, die sie in diesem Moment durchströmt hatte.
Doch je tiefer ihre Gefühle für ihn wurden, desto überzeugter war sie, dass er nicht das Gleiche für sie empfand. Ja, er war ein wunderbarer Liebhaber. Aber das war vielleicht alles. Liebte sie ihn, während er sie nur begehrte?
„Wo ist Onkel Jesse?“, frage Mia, die auf dem Schoß ihres Vaters gekrabbelt war und aufs Meer schaute.
„Da“, sagte Bella und zeigte auf den Surfer, der auf seinem Board saß und auf die nächste Welle wartete. „Siehst du ihn? Wenn eine Welle kommt, wird er sich von ihr bis zum Strand tragen lassen.“
„Darf ich das auch mal machen?“, fragte Mia.
„Klar“, antwortete Jackson. „Wenn du dreißig Jahre alt bist.“
Casey blinzelte Bella zu. „Er ist manchmal etwas zu fürsorglich.“
„Das ist doch gut.“
„Das finde ich eigentlich auch“, erwiderte Casey lächelnd. „Aber manchmal hat man das Gefühl, er und seine Brüder bewachen ihre Kinder wie Bodyguards. Du
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