Sommer in Ephesos
fachlich beschlagen, und unmöglich im Umgang mit anderen Menschen, ein Einzelgänger. Er hatte so eine Art, mürrisch und unwirsch, Jan schüttelte den Kopf. Ich habe gesehen, wie er sich über die Jahre verändert hat. Weil er gewusst hat, was er kann, und weil dein Vater ihm vertraut hat, das hat einen anderen Menschen aus ihm gemacht. Jan zündete sich eine Zigarette an.
Das ganze Institut, sagte er, hat Hubert beobachtet und darauf gewartet, dass er einen Fehler macht, aber er hat alles richtig gemacht. Und er hat einen Instinkt gehabt, als könnte er riechen, wo das Essenzielle lag. Beim Graben war es, als hätte er ein System, das Alarm schlug. Manchmal war es fast unheimlich, wie er wusste, was in der Erde zu finden war und was es bedeutete. Dein Vater ist ganz groß geworden vor Stolz, als wäre Huberts Begabung sein Verdienst.
Eine Weile saßen wir still, in den Büschen raschelte es, von Jans Zigarette kräuselte sich ein dünner Rauchfaden.
Sie sind so gut gewesen miteinander, sagte ich schließlich, das wirft man doch nicht einfach weg.
Hubert, sagte Jan, war für deinen Vater wie ein Sohn, ein geistiger Ziehsohn. Er war der, dem er alles hinterlassen, dem er alles weitergeben wollte, was er wusste und was er hatte.
Wieso war es dann ein Problem, wenn er ein Thema meines Vaters aufgenommen hat? Hätte sich der Vater nicht darüber freuen sollen?
Hubert ist mit einer fast fertigen Arbeit zu deinem Vater gegangen. Wie kannst du das tun, habe ich ihn gefragt, du kannst doch keine Diss schreiben und er, der Professor, weiß nichts davon.
Aber natürlich wusste er, dass ich eine Dissertation schreibe, hat Hubert gesagt. Er war mein Doktorvater, wer wäre es sonst gewesen? Du, mach nur, hat der Professor zu ihm gesagt, überrasch mich. Also ist Hubert mit seiner fast fertigen Arbeit zu deinem Vater ins Büro und hat tatsächlich geglaubt, naiv oder abgrundtief dumm, er macht deinem Vater eine Freude.
Und was war sein Fehler?, fragte ich. Wenn der Vater ihm freie Hand gelassen hat.
Jan zündete sich eine neue Zigarette an. Er hätte wissen müssen, woran dein Vater arbeitete, sagte er. Er hat über so viele Jahre so eng mit deinem Vater zusammengearbeitet, wie konnte er es nicht wissen, dass dein Vater seinerseits eine fast fertige Arbeit zum selben Thema hatte!
Jan schlug auf die Mauer, haarsträubende Blödheit!, rief er.
Dein Vater, sagte Jan, hat ein Leben lang immer wieder zur Artemis von Ephesos gearbeitet. Das Geheimnis lüften, das ist einer seiner Titel, lies das einmal, das wollte er sein Leben lang, das Geheimnis der Göttin lüften. Und natürlich hat er das mit seinem Lieblingsstudenten diskutiert, natürlich hat er Hubert mit seiner Begeisterung angesteckt, und wahrscheinlich hätte Hubert, wenn er diplomatischer gewesen wäre, einen Weg finden können, an der Arbeit deines Vaters anzudocken. Vielleicht wäre es aber auch klüger gewesen, sich von ihm unabhängig zu machen. Wie dem auch sei, als er in das Büro deines Vater marschiert ist und ihm die Arbeit auf den Tisch gelegt hat, eine vergleichende Zusammenschau von Bildern kleinasiatischer Göttinnen, das muss deinem Vater vorgekommen sein wie der schlimmste Verrat.
Es war, sagte Jan, er sah zum Hof hinüber, von dem Gemurmel, manchmal ein Gelächter zu uns drang, es war eine Hinrichtung. Dein Vater hat Hubert in seinem Büro zunichte gemacht, den Liebling, den Hoffnungsträger, den Glücksgriff.
Und dann, fragte ich, was war dann?
Hubert ist zu einem anderen Professor gegangen, sagte Jan, der hat das Thema anerkannt, der hat die Dissertation betreut, auch wenn es nicht mehr viel zu betreuen gab. Ihn und deinen Vater hat eine lange Feindschaft verbunden. Dass er jetzt dessen Liebkind betreute, muss ihm eine besondere Genugtuung gewesen sein.
Jan sah mich von der Seite an. Tut mir leid, dass ich dir diesen ganzen Mist erzähle, sagte er. Aber du sollst wenigstens wissen, warum Hubert dich behandelt, als wärst du der Feind.
Und da war nichts mehr zu reparieren?
Jan schüttelte den Kopf. Er suchte nach einer Zigarette, aber das Päckchen war leer. Er zerknüllte es, tastete nach einem anderen Päckchen, nein, sagte er endlich, nicht nach dem, was Hubert ihm noch an den Kopf geworfen hat.
Was war das?, fragte ich, als er nicht weitersprach.
Hubert wollte die Arbeit deinem Vater widmen, er hat gedacht, er macht dem Professor eine Freude. Der Idiot!
Was hat er gesagt?
Jan sah in den dunklen Nachthimmel, an dem ein bleicher
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