Sommer in Ephesos
Restauratoren. Wir machen schon einmal die Vorarbeiten, um die Gruppen dann gut einteilen zu können, um Fragestellungen auch noch zu schärfen. Wir treffen uns nach dem Abendessen noch einmal, sagte er zu den anderen, als wir im Grabungshaus ankamen. Bis morgen, sagte Martin, du kommst doch wieder mit?
Wochen später stand Friedrich in der Tür, die Niederlage im Gesicht und eine Verzweiflung im Körper, ich will mit dir schlafen, hat er gesagt, ich will mir wenigstens einbilden können, dass ich etwas von dir weiß. Er muss etwas in meinem Gesicht gesehen haben, weil er mich grob zu sich gezogen hat. Ich mag Frauen nicht, die so sind wie du, sagte er, sein Mund fiel über meinen her. Als er in mich eindrang, schluchzte er.
Dann war es vorbei, sein feuchtes Haar, du magst also Frauen nicht, sagte ich, die so sind wie ich. In einer Fluchtbewegung zu mir hin suchte er in meinen Augen nach einem Einverständnis, für mich bist du anders. Nein, sagte ich, das bin ich nicht.
Das Grabungshaus war mir in dieser dritten Woche zu einem gefährlichen Ort geworden. Was in den Hügeln flatterte und kroch und huschte, was zirpte und gellte und schrie, hoch im Blau, das hatte mich leicht gemacht und hell. Im Grabungshaus, wo Hubert mich nicht kennen wollte, überfiel mich eine fremde Schwärze. Dass den Vater und Ilse ein Einverständnis verband, ohne mich, als nähmen sie mir etwas weg.
An einem Abend sah ich in der Dämmerung zwei unter orangen Blüten stehen, das waren Martin und Sophia, die nichts zu interessieren schien als ihr koressisches Viertel, ihr koressisches Tor. Die ungeduldig war mit Martin, Fakten, sagte sie, wenn er so vor sich hin dachte, wenn er sagte, Gott hätte, von Gott aus gesehen, ja, sagte sie, ja Martin, schon gut, aber das bringt uns jetzt nicht wirklich weiter. Die, wenn sie sich neben einen setzte, ihren Arm um ihn legte, aber nie hat sie das bei Martin getan, nie ihn in der Öffentlichkeit auch nur am Arm berührt oder an der Schulter. Die sich im Bus immer neben Werner setzte, mit ihm lachte und tändelte, aber nie, auch später nicht, mit Martin, sie saßen noch nicht einmal beim Frühstück zusammen. Aber da stand Sophia mit Martin unter orangen Blüten, umarmte ihn in der Dämmerung, als würde sie, wie ein Zicklein, mit dem Kopf in seine Brust hineinstoßen. Wo traf mich das und wie.
Da war mir dann schon schwer im Kopf, wie übel auch. Was ist los, Anastasía?, fragte der Vater, da rannen mir schon Tränen übers Gesicht. Du hast einen Sonnenstich, sagte er. Wie hätte ich ihm sagen sollen, dass es das Leben der anderen war.
Du legst dich sofort hin, sagte der Vater.
Ich will ins Hotel, sagte ich, nicht in dem Bett liegen, in dem Ilse mit dem Vater schlief. Dann musste ich weinen, wie ich nicht geweint hatte, seit ich ein Kind war.
Der Vater saß an meinem Bett, was ist denn los?
Gar nichts, sagte ich und musste noch mehr weinen, und der Vater saß neben mir. Die Hotelwirtin brachte mir zu trinken, eine Suppe auch, dann bin ich eingeschlafen und träumte von riesigen feurigen Rädern, die drehten sich immerzu. Der Vater ist die ganze Nacht auf dem Gang vor meinem Zimmer gesessen. Von dort sah er die Moschee und die Bäume im Innenhof und den Mond, der über die Moschee hin wanderte, und manchmal hat er in mein Zimmer geschaut und mir die Hand auf die Stirn gelegt.
Du bleibst heute liegen, sagte der Vater in der Früh.
Aber, sagte ich, wir wollten doch nach Pergamon übers Wochenende.
Das machen wir ein anderes Mal, sagte der Vater. Ich komme zu Mittag vorbei, die Gizem, das war die Wirtin, bringt dir alles, was du brauchst.
Ich schlief wieder ein. Auf einmal wusste ich, dass ich mich entscheiden musste, die feurigen Räder knirschten.
Der nächste Tag war ein Sonntag, wir fuhren nach Priene, das lag näher als Pergamon, der Vater, Ilse und ich, Familie, dachte ich. Ich wanderte mit ihnen durch die Ruinenstadt, ich sah ihnen zu, wie sie sich und mir die Stadt erklärten.
Am Abend sind wir ins Grabungshaus zurückgekommen. Aus dem Speisesaal fiel in hellen Vierecken das Licht in die Dämmerung. Hubert war da. Als er aus dem Innenhof wegging, folgte ich ihm.
Hubert, sagte ich.
Er drehte sich um, die Nacht lag auf seinem Gesicht.
Ich weiß jetzt, sagte ich, was zwischen meinem Vater und dir war.
Hubert rührte sich nicht.
Aber, sagte ich, das hat doch nichts mit mir zu tun. Ich mag nicht, meine Stimme war sehr klein, ich mag es nicht, dass es so ist zwischen uns, als ob ich
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