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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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eine Vertiefung, eine Rinne, eine Rille.
    Und warum ist die hier?
    Keine Ahnung, sagte ich, muss ich das wissen, um es gut zu zeichnen?
    Es hilft, sagte der Vater und hielt mir einen Vortrag über antike Bautechnik. Gute Arbeit, sagte er, als er wieder ging. Er sah die Umstehenden an, als wollte er sagen, meine Tochter, das ist meine Tochter.
    Du musst nicht den ganzen Tag arbeiten, sagte mein Vater, aber ich wollte es. Körniger Grund, wie die Steine ineinander gefugt waren, wie die Reihen abschlossen, Fugen, Spalten, Löcher, Vertiefungen im Stein.
    Jeden Tag in dieser Woche habe ich Hubert gesehen. Jeden Tag, in der Früh, am späten Nachmittag und am Abend. Wenn wir ins Grabungshaus zurückkamen und er war schon da, er ist auf der Veranda gesessen oder im Hof unten, und wenn ich vorbeiging, hat er aufgesehen. Ana, hat er gesagt, wenn ich allein war, wenn der Vater neben mir war, hat er nichts gesagt. Wenn wir vor ihm im Grabungshaus waren, habe ich mich auf das Mäuerchen vor dem Büro gesetzt; sein schnelles Lächeln immer, wenn er mich sah.
    Wir haben nicht miteinander geredet, was hatten wir zu reden? Aber erst wenn er mich begrüßt hatte, mit einem Wort, einem Blick, seinem schnellen Lächeln, erst dann setzte er sich zu den anderen. Immer in dieser Woche gehörte sein erstes Wort mir.

    Wenn ich jetzt an Hubert denke, das habe ich nicht getan in all den Jahren, ich habe ihn mir aus dem Leib getrieben, den Vater auch, aus dem Leib gefickt, sage ich mir, wenn ich mich sehr hasse, mich mir selbst aus dem Leib gefickt. Lernen, arbeiten, ficken, Vernichtungsrasen. Seit der Vater tot ist, ist eine schreckliche Süße in mir, wenn ich an Hubert denke. Ich hatte ihn wiedergefunden, er hatte meinen Namen gesagt, ich hätte mich damit zufriedengeben sollen.

    Einmal sind wir, unvermutet, einander gegenübergestanden, allein, da war sonst niemand. Eine Röte ist ihm über das Gesicht gegangen, Ana, hat er gesagt, wie erschrocken. Was sagen, Sätze sagen, geht’s dir gut, Hubert?, ich weiß gar nichts von dir, erzähl mir was von früher, von jetzt. Ein Schwall von Sätzen, Hubert zögerte, als wollte er wieder gehen.
    Magst du auch einen Tee?, fragte er schließlich.
    Nein, sagte ich, doch, sagte ich dann, weil das Nein so abweisend geklungen hatte, doch, bitte, gerne.
    Ich sah ihm zu, wie er mit dem Teegeschirr hantierte, die bauchigen Gläser mit rotem Rand. Eine Ameise tappte über den blauen Tisch, ich gab es auf, Sätze sagen zu wollen. Zucker?, ich nickte. Die Schatten, die um seine Augen waren, kannte ich die von früher? An seiner Schläfe pochte etwas und draußen kroch die Dämmerung über den Tag. Jemand lachte, ein Hund bellte wo, noch einer. Weil Hubert Schnitte an den Händen hatte, was hast du da?, fragte ich und fuhr über die Aufschürfungen. Er zog die Hand zurück, so schnell, dass er das Teeglas umwarf. Entschuldige, sagte ich, er fluchte. Die braune Flüssigkeit tropfte zu Boden, ich mach das schon, sagte er schroff, als ich nach einem Tuch griff.
    Ich ging in den Hof hinaus, er hat mir aber ein Glas Tee nachgebracht, sehr süß, und ein Keks dazu. Etwas hat mich gestreift, als er sich zu mir gebeugt hat. Er hat den Tee vor mich hingestellt, ich habe ihm in die Augen geschaut von sehr nah.
    Mittags waren an manchen Tagen die Gladiatoren in der Stadt. Es hatte 39 Grad mittags, oder mehr. Ich war hoch oben im Theater und zeichnete Stufensteine, die Stadt lag zu meinen Füßen und auf der Arkadiane zog, zu Fanfarenstößen, Kleopatra ein. Jede halbe Stunde die Fanfaren, Hollywood, dachte ich, jede halbe Stunde Kleopatra, die mit ihrem Gefolge aus dem Wäldchen kam. Sie nahm auf ihrem Thron Platz, Frauen in bunten Schleiergewändern tanzten und schlugen das Tamburin, Gaukler jonglierten Bälle, Gladiatoren sprangen einander mit dem Schwert an und das bezahlte Publikum johlte und schrie. Schrecklich schlechtes Theater, aber ich liebte es, wenn die Fanfarenstöße erklangen. Kann ich mir freinehmen?, fragte ich meinen Vater, ausnahmsweise, sagte er.
    Ich lief und schaute den Gladiatoren zu, oder ich lief vors Theater und setzte mich unter den Birnbaum, der dort stand. Alle Reisegruppenführer stellten sich unter diesen Baum und erzählten die Geschichte, wie der Apostel gegen Artemis gewettert hatte, hier, sagten sie, als wäre er genau unter diesem Baum gestanden, unter dem Birnbaum, an dem schon jetzt klein und gelb die Früchte hingen. Einen habe ich einmal gesehen, der rüttelte am Baum, verbissen,

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