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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Dunkelgrüne, das einmal das Hafenbecken gewesen war. Hier lagen die Schiffe, hier waren die Lagerhäuser, die Zollbehörde, die Büros der Reedereien, die Magazine, und natürlich waren hier auch die Kneipen, die Spelunken und die Bordelle.
    Ah ja, sagte ich, also doch.
    Über das Dunkelgrüne zog ein Storch, und Frösche hüpften auf, als wir zu den Steinhaufen, die die Thermen gewesen waren, zurückkehrten. Dass für mich die Stadt woanders pulsierte, dachte ich.
    Es muss, sagte der Vater, in den Bädern ein unbeschreiblicher Lärm geherrscht haben. Seneca etwa beklagt sich in einem Brief über das Stimmengewirr, das Geschrei und das Ächzen der Leute, die mit Hanteln turnen, das Klatschen der Hände der Masseure, das Falsett der Haarauszieher, die ihre Dienste anpreisen, und das Zetern ihrer Opfer, wenn ihnen die Haare ausgerissen werden. Am liebsten, schreibt er, am liebsten möchte man taub sein.
    Da hätte er jetzt eine Freude, sagte ich, jetzt ist es ganz ruhig hier.
    Als wir auf Hügel kletterten und uns durch Gebüsch arbeiteten, erzählte der Vater von Raubgrabungen, eine Schande, sagte er. Es müssen Arbeiter von hier beteiligt sein, so professionell ist gegraben worden. Als hätte man gewusst, wo was zu finden war. Schändung der Toten, sagte der Vater, und ein Verbrechen an den Lebenden.
    Was ist dir der liebste Ort?, fragte ich ihn, als wir auf der Arkadiane zurückschlenderten, auf die Allee zu, die zum Ausgang führte. Was ist dir der liebste Ort hier?
    Du stellst Fragen, sagte der Vater. Als ob man das so sagen könnte. Er blieb stehen, er sah sich um, immer der, wo ich arbeite? Der Birnbaum auf dem Staatsmarkt, sagte er, zwischen dem Tempel und dem Bouleuterion, von der Südstraße aus gesehen. Die Bibliothek natürlich, immer wieder die Bibliothek, am späten Nachmittag, wenn sie wie von innen glüht. Ich nickte. Das hier, er deutete auf die Malven, die rosa und lila hoch schwankten, das in der Vormittagssonne. Das Serapeion. Irgendwann werden wir es in Angriff nehmen, eine Anastylose wäre schön, vielleicht kann ich das noch sehen, wenn es wieder aufgestellt wird.
    Ich mag es, wie es jetzt ist, sagte ich und dachte an das hingeworfene Durcheinander der Marmorblöcke und wie mir eine Echse einen Schrecken in die Brust geworfen hatte.
    Das Stadionsüdtor, sagte der Vater, da war ich in einem Sommer, vor, ich weiß es nicht, ich war fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, das steht so frei in der Landschaft. Die Stadt ist ja viel größer als das hier. Wir müssen, sagte er, auf den Bülbüldag gehen, willst du? Erst wenn du aus der Stadt draußen bist, wenn du von oben herunterschaust, die Stadt und das Land von oben siehst, erst dann begreifst du die Stadt.
    Schnell gingen wir an den Marktständen, die hinter dem Ausgang lagen, vorbei. Eine Schande, sagte der Vater und zeigte auf eine Kollektion von Artemisstatuen aus Plastik, vielbrüstig, in allen Größen. Die Göttin sollte uns schaudern machen, sagte er, aber nicht so!
    An der Bushaltestelle setzten wir uns in den Schatten, der Vater holte tief Luft. Das Artemision natürlich, sagte er. Immer und immer wieder das Artemision, aber das weißt du.
    Ich nickte.
    Ich war dabei, als wir 1965 die Ausgrabungen beim Artemision wiederaufgenommen haben. Ich hätte gerne mit dem Artemision aufgehört, nächstes Jahr gehe ich offiziell in Pension.
    Heißt das, fragte ich entsetzt, du kannst nie wieder hierher?
    Nein, er lachte, natürlich nicht, aber ein geordneter Rückzug empfiehlt sich doch.
    Warum bist du dann nicht im Artemision?, fragte ich, da sind doch Projekte.
    Eins davon ist auch mein Projekt, sagte der Vater, war meines, ist mein Projekt gewesen. Etwas wie ein Krampf ging über sein Gesicht.
    Und wieso, fragte ich, weil er nicht weitersprach, wieso bist du dann nicht dort?
    Der Vater stand auf, er starrte, als gäbe es Interessantes zu sehen, in die Landschaft. Die Gerlinde, sagte er dann, als referierte er einen Text, die für das Theaterprojekt zuständig ist, hat einen Unfall gehabt, gleich zu Beginn. Komplizierte Brüche, sie fällt für den Rest der Kampagne aus. Das Theater ist aber das Prestigeprojekt momentan. Die Türken wollen es wieder bespielbar machen, er schnaubte, du weißt, was ich davon halte. Die Grabungsleitung hat mich gebeten, für Gerlinde einzuspringen. Und wenn dich die Grabungsleitung bittet, dann tust du es auch, weil es das ist, was der Sache am meisten dient. Das ist Chefsache, hat Hans gesagt, wenn schon Änderungen,

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