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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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die Stadt gegangen, die Einkaufsstraßen entlang, an Kebapständen vorbei zu den Störchen auf dem Aquädukt beim Bahnhof. Auf dem Rückweg waren wir über den Markt gegangen, der am Samstag auf dem Platz vor einer Moschee stattfand, da habe ich Hubert gesehen. Ich bin mit Ilse weitergegangen, aber dann bin ich doch umgekehrt, ich muss noch was, habe ich zu Ilse gesagt und bin umgekehrt.
    Ich stand vor Hubert, kann ich mich zu dir setzen? Da sind wir dann gesessen, und da war sonst keiner. Was liest du, habe ich ihn gefragt, weil er ein Buch weggelegt hat, mein Türkisch auffrischen, hat er gesagt, und du?
    Keine Rittergeschichten mehr, sagte ich, Grabungsberichte.
    Wir sind gemeinsam zurückgegangen, vorbei an weißgetünchten Häusern, vorbei an Läden mit Teppichen, mit Pfirsichen und Melonen, mit bronzefarbenen Teekannen und Wasserpfeifen und Keramikschalen, türkis und blau und rot, als wären wir schon immer so gegangen. Ich habe dich gefunden, sagte ich, in den Grabungsberichten, zufällig, sagte ich, aber das stimmte nicht. Du bist, war das das allererste Mal?, vor vierzehn Jahren an einem Samstag angekommen, es war windig und der Himmel war wolkenverhangen, bei 28 Grad.
    Tatsächlich?, sagte Hubert, ja, sagte ich, an dem Tag war auch ein Fernsehteam da, offenbar unangemeldet, das hat der Vater, der war Grabungsleiter, durch Ephesos geführt. Überfallen und verschleppt, entführt, hat er an diesem Tag in den Bericht geschrieben.
    Stimmt, sagte Hubert, ich erinnere mich, das hat er gerne so erzählt.
    Du hast im Depot gearbeitet und später warst du im Artemision, mit dem Vater, weißt du das noch?
    Ja, sagte Hubert und seine Stimme war wieder wie bleich, natürlich, ich hab das nicht vergessen.
    Weißt du auch noch, ich sah Hubert an, wie es bei uns zu Hause war?
    Ja, sagte er. Natürlich weiß ich das noch.
    In dem Jahr, als du das erste Mal hier warst, bin ich vier geworden, sagte ich, und an meinem vierten Geburtstag war der Vater im Artemision, es war sonnig, bei fünfunddreißig Grad. Er hat am Kroisostempel gegraben, Streufunde in der Nordwestecke, schreibt er. Warst du da auch dabei, Anfang August?
    Nein, sagte Hubert. Erst später.
    Der Vater war an meinem Geburtstag nur selten zu Hause, sagte ich, aber er hat immer angerufen. Ich habe den Vater verloren gehabt, so viele Jahre. Wir sind doch weggegangen, die Mutter und ich, was hätte der Vater auch mit mir anfangen sollen.
    Das tut mir leid, sagte Hubert.
    Als wir dann schon fast beim Grabungshaus waren, die Schatten der Bäume am Straßenrand tanzten vor unseren Füßen, fragte ich, du und der Vater, habt ihr denn nie versucht, euch zu versöhnen?
    Hubert blieb stehen. Haben wir es versucht, sagte er zu den Bäumen und ihren Schatten. Ich wollte es immer, sagte er. Er hat keine Versöhnung gewollt, was konnte ich tun.
    Wir gingen weiter, die Hintertür des Grabungshauses, die geschlossen sein sollte, stand einen Spalt offen.
    Auf Wiedersehen, Ana, sagte Hubert. Er zog die Tür auf, um mich einzulassen. Er hat mich angerufen, sagte er mitten in der Bewegung. Ein paar Wochen, nachdem das passiert ist, unser Streit, hat er mich angerufen. Wir müssen über die Sache reden, hat er gesagt, aber als ich dann bei ihm war, hat er mich hinausgeworfen.
    War es am Sonntag nach diesem Samstag, dass ich in Pamucak war, am Strand, und Hubert war auch da? Er war mit anderen da, das hat mich scheu gemacht. Er muss mich aber gesehen haben und ist auf mich zugekommen, zögernd. Bist du allein hier, dein Vater, Ilse?, ich wehrte entsetzt ab, Ilse doch nicht.
    Magst du dich zu uns setzen?
    Nein, sagte ich, ich bin gern einmal allein.
    Soll ich gehen?
    Nein, sagte ich.
    Was jetzt, er lachte, allein oder mit mir?
    Beides, sagte ich.
    So, sagte Hubert und sah auf das Meer, und ich krümelte den Sand.
    Magst du ins Wasser?
    Später, sagte ich. Dann hat eine aus der Gruppe nach Hubert gerufen, also später, sagte Hubert, ich bin dann aber bald aufgebrochen.

    Ich hatte eine Tochter, schreibt der Vater, sie hat mich aus ihrem Gedächtnis gestrichen, aber es ist nicht möglich, dass ich sie aus meinem streiche.
    Seit der Vater tot ist, flutet er mein Gedächtnis. Es ist aber jetzt zu spät, sage ich zu ihm und horche. Der Vater schweigt.

    Hubert ist bei der Mauer gestanden, wartest du auf jemanden?, habe ich ihn gefragt, nicht mehr, hat er gesagt. Hubert sah die Straße, die zum Grabungshaus führte, hinauf, da saß im Lichtkreis einer Straßenlaterne eine Gruppe älterer

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