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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Frauen, in Pluderhosen und Pluderröcken, darüber trugen sie Kleider und Schürzen, Tücher aus bunten Stoffen mit Kreisen und Wellen und Karos und Tropfen, Buntgeflecktes, alle Farben und alles gemischt, ältere Frauen, die schwatzten. Ich weiß manchmal nicht, wie ich tun soll mit uns, sagte Hubert. Wie distelig war seine Stimme in der samtweichen Nacht.
    Hubert, sagte ich, ich bin immer gerne mit dir zusammen gewesen, ich hab dich doch immer geliebt. Drüben schwatzten die Frauen, eine heiße Welle überschwappte mich. Also, du weißt schon, ich lachte verlegen. Du warst doch mein Vorbild, sagte ich, mein Ritter. Wenn ich einen Bruder hätte haben können, dann wärst du das gewesen.
    Dann ist es ja gut, sagte Hubert, magst du mit mir ein wenig spazieren gehen?, sagte ich und ging schon voraus und redete und redete. Zwischen den Palmen hingen Lichterketten und junge und alte Männer gingen auf und ab, und Frauen saßen auf den Bänken und Familien. Ich erzählte Hubert alles, was mir einfiel, was sie im Grabungshaus geredet hatten, hast du gewusst, sagte ich, dass John im Irak gegraben hat, er mag keine Steine, sagt er, kannst du dir das vorstellen? Schlamm, sagt er, gebackener Schlamm, Lehmziegel, das ist das einzig Wahre. Und hast du gewusst, dass Ilse einmal beinahe verschüttet worden ist, schlechte Sicherung der Wände, das ist doch arg. Und hast du gewusst, Ana, sagte Hubert, er streifte meinen Arm, es ist schön, was du gesagt hast, okay.
    Okay, sagte ich, und dann gingen wir einfach nur so nebeneinander her, bis zur Moschee. Dort setzten wir uns auf die Stufen und sahen zu, wie die Händler ihre Keramiken verkauften, hübsche Teller und Becher und Schüsselchen. Etwas roch süß und Hubert kaufte Kürbiskerne, wir knackten sie und spuckten die Schalen aus. Wir saßen wie früher eng nebeneinander. Ich war zwanzig, sagte Hubert, als ich das erste Mal in Ephesos war. Ich habe alles gelesen gehabt, was es über Ephesos gab, also alles. Ich habe gewusst, es ist groß, ich habe mir aber nicht vorstellen können, wie es mich treffen wird.
    Sehe ich dich morgen?, fragte Hubert, als er mich zum Hotel brachte. Der Mond stand hinter ihm, ja, sagte ich, ja sicher. Und so war es dann auch, jeden Abend bin ich die Straße hinuntergelaufen und jeden Abend hat Hubert bei der Mauer auf mich gewartet. Wie zufällig und als wüsste er, wann ich die Straße hinunterlaufen würde zur Mauer, wo er auf mich wartete.

    Handeln ist Schuld, schreibt der Vater. Nichthandeln auch. Ich habe den Vater im ersten Jahr nach Ephesos gemieden. Hätte er mich denn sehen wollen? Es kam kein Zeichen von ihm. Du kannst immer hierher zurück, hatte er gesagt, ich hatte den Vater verloren, wieder und endgültig diesmal. Dann kam eine Nacht, in der ich nicht wusste, wie ich weiterleben sollte. Verzeih mir, flehte ich, als ginge das. Es gab aber keine Vergebung, es gab keine Absolution, aber doch eine Art von Vergessen.

    Im Laufe der nächsten Tage holten sie im Artemision über sechshundert Schmuckstücke aus Bernstein aus der Erde, und Perlen aus Glas, Stein und Ton, Fayencen und Bronzen. Das ist ein Schatz, sagte ich, da lächelten sie, Barbara, Stefan und Hubert. Wir sind keine Schatzgräber, sagten sie, aber ich sah es funkeln in ihren Augen. Ein Hortfund, sagte Barbara, der Kosmos der Göttin, sagte Hubert. Bernstein, sagte Barbara. Die Tränen der Töchter des Helios, die über dem Leichnam Phaetons, des Bruders, weinten, der vom Himmel gestürzt war. In ihrer Trauer verwandelten sich die Schwestern in schwarze Pappeln und ihre Tränen perlten golden aus den Rinden und gerannen zu Bernstein.
    Ilse lächelte, wenn ich sie fragte, ob sie nicht die Peripterosgruppe um den Schatz beneidete, den sie gefunden hatte. Ich bin gerne bei meinen Tonscherben, sagte sie. Ich sehe mir die schönen Stücke gerne an, ich spüre die Faszination, die von ihnen ausgeht, aber ich bin lieber bei den Scherben. Dass sich mir Lebenszusammenhänge erschließen, das ganz alltägliche Leben, dem vertraue ich mehr, sagte sie. Aber als die Depotgruppe, die die Funde aufarbeitete, dann die Perlen versuchsweise auffädelte, da verließ auch Ilse ihre Scherben und stand mit mir über die blauen, braunen, gelben, orangen, roten, türkisen Formen gebeugt und legte die Stränge, wie sie es sich dachte. Hübsch, sagte ich und fädelte mir meine eigene Kette. Am Abend erzählte Ilse dem Vater davon. Was störst du die Leute bei ihrer Arbeit, sagte er zu mir.
    Der Vater kam

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