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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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sein, sagte ich.
    Ach, vernünftig. Nur damit ich es nicht falsch verstehe, er schob mich ein wenig von sich weg, du willst mit mir schlafen.
    Ja, sagte ich und reckte ihm mein Kinn entgegen, ist das schlimm?
    Nicht schlimm, sagte er. Aber du tust jetzt abgebrühter als du bist. Als wäre ich ein dummes Ding, so sah er mich an. Du hast noch mit keinem Mann geschlafen, sagte er, freundlich, das machte mich zornig.
    Nein, sagte ich und starrte ihn böse an. Als müsste ich dich zu etwas überreden, was du nicht willst, sagte ich und wollte mich von ihm wegdrehen.
    Er ließ mich nicht los. Nein, sagte er, das tust du nicht.
    Als müsste ich dich zwingen.
    Nein, sagte er, das tust du nicht.

    Willst du mir nicht sagen, was mit Hubert gewesen ist, hat mich Friedrich gefragt, als er angerufen hat im Juli, im August.
    Es hat nichts mit Hubert zu tun, habe ich gesagt, nicht wirklich.
    Das glaube ich dir nicht.
    Glaub es oder glaub es nicht, es ist auch ganz gleichgültig.
    Am Ende des Sommers sind wir aber doch wieder zusammengekommen. Weil ich zu Bewusstsein gekommen bin vielleicht. Weil sein Beharren mich müde gemacht hat, weil ich einsam war. Wieso willst du mich sehen?, habe ich gefragt, als er wieder angerufen hat. Es wird dir weh tun.
    Lass das meine Sache sein, hat er gesagt.

    Als könnte man das, eine Zeit oder ein Leben vermessen. Die vielen Schichten, die in der Zeit sind. Das Mädchen, das ich war, Tage und Nächte, die sich aneinanderreihten, immer noch die Geografie der Stadt, wie die Sonne über den Stein strich, wie sie Schatten warf am Morgen, am Mittag, am Abend, wie aus Ritzen Blumen wuchsen, wie Eidechsen im Zickzack flohen, flimmernde Luft zwischen Zypressen. Und die andere Geografie der Nächte. Sätze, Gesten, Berührungen, Huberts Bewegungen, wie ich nichts wollte als ihn, wenn ich bei ihm war.
    Es gibt nur Annäherungen, hat Jan gesagt, als ich mit ihm das erste Mal im Hanghaus war, die Unschärfe ist Bestandteil des Vermessenen. Und manchmal verschwindet das, was wir vermessen wollen, in einem grauen Meer von Punkten und entzieht sich der Vermessung. Über Bruchstücke nähern wir uns dem Ganzen, eine Tonscherbe, eine Säule, ein Mauerrest. Die Erinnerung an ein Wort, ist es denn so gefallen, mit welcher Färbung in der Stimme und mit welcher Geste? Eine Berührung, frühes Licht, das durch ein Fenster fällt, und wie ein Geliebter Licht und Schatten hat in seinem Leib, das ist doch einmal Wirklichkeit gewesen. Aber die Wirklichkeit ist nur eine Annäherung an etwas, das wir glauben wollen. Und die Erzählung eine Vermutung.

    In der Kühle der purpurnen Nacht bin ich mit dem Vater aufgebrochen. Ich sehnte mich nach Hubert, dass ich dem Vater sagen könnte, dass ich glücklich war und warum. Die Farben des Morgenmeeres waren am Himmel, ringsum lagen wie im Dunst die Berge. Als ich mit dem Vater auf dem Bülbüldag war, dem Nachtigallenberg, habe ich gesehen, wie die Welt sich neu gebar im frühen Licht. Das war das letzte Mal, dass ich mit dem Vater so war, einen Tag lang nur mit ihm, vom Morgen bis zum Abend. Ich habe seine Einsamkeit gesehen, und dass er sterben würde. Dass ich ihn verraten hatte, auch das habe ich gewusst. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie sollte es anders sein können.
    Einmal im Jahr, hat der Vater gesagt, wenn ich in Ephesos bin, wenigstens einmal im Jahr gehe ich auf den Berg. Du musst im Frühling kommen, hat der Vater gesagt. Wenn alles blüht, der Mastixstrauch, zarte rote Blüten, Artemis hat sich mit seinen Zweigen bekränzt. Die Zistroste, die Baumheide, die Myrte, die heilige Pflanze der Aphrodite, wie das blüht. Der Ginster blüht, gelb, und Thymian, Salbei, Rosmarin und Lavendel, kannst du dir vorstellen, wie das duftet. Vielleicht siehst du die Anemonen noch blühen, die Tränen der Aphrodite über den Tod des Adonis, den Klatschmohn und Asphodelus, du erinnerst dich an die Asphodelusfelder? Nächstes Jahr im Frühling, sagte der Vater, nächstes Jahr sind wir wieder hier.
    Man heiratet nicht aus Jux und Tollerei, hat der Vater gesagt, als ich ihn gefragt habe, warum er Ilse nicht heiraten will. Sie würde Ja sagen, habe ich gesagt, ich bin sicher. Ihr passt gut zusammen, sie würde sich freuen.
    Ich habe deine Mutter geheiratet, hat der Vater gesagt. Man heiratet nicht, weil sich jemand darüber freuen würde. Ich habe deine Mutter geheiratet.
    Warum hast du mich nicht gewollt? Ich wäre so gerne bei dir gewesen.
    Wärst du das, hat der Vater gesagt, das

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