Sommer in Maine: Roman (German Edition)
küssen. Keine Ahnung. Er war ja sehr betrunken. Ich wollte dir nichts davon sagen, aber – naja, ich sehe ja, dass du dir Hoffnungen machst und das macht mir Sorgen, Maggie. Er ist kein guter Mann. Aber du bist eine tolle Frau.«
Mit diesen Worten wurde Maggie plötzlich endgültig klar, was sie schon seit Tagen zu verdrängen versuchte: Sie war allein. Gabe würde nicht die Vaterrolle für ihr Kind übernehmen.
Maggie kam sich blöd vor, weil sie so viel mit Rhiannon über Gabe geredet hatte und von dem Geheimnis der beiden nichts geahnt hatte. Natürlich hatte Gabe Rhiannon begehrt. Welcher Mann würde das nicht? Maggie war plötzlich sehr angespannt. Warum hatte sie die beiden auch unbedingt einander vorstellen müssen?
»Ich geh ins Bett«, sagte Maggie. »Du solltest besser nicht mehr fahren. Im großen Zimmer ist noch Platz für dich.«
Maggies Schroffheit schien Rhiannon zu erschrecken, aber sie sagte nur: »Ja, okay. Ich fahre dann gleich in der Früh.«
Maggie wandte sich ab und ging ins Badezimmer.
»Tut mir leid«, sagte Rhiannon. »Vielleicht hätte ich die Klappe halten sollen.«
»Vielleicht«, sagte Maggie. Sie schloss die Tür hinter sich und kam sich gemein vor. So fies war sie noch zu niemandem gewesen, schon gar nicht zu einer Freundin. Dann kamen die Tränen.
Maggie konnte nicht schlafen. Nachdem sie Rhiannon ins Bett hatte gehen hören, war sie im Wohnzimmer auf ihr Handy starrend herumgelaufen, wobei sie die knarrenden Dielen vermied, und hatte nach anständigem Empfang gesucht.
In der Ecke bei der Küche hatte sie schließlich zwei Balken. Sie wählte, und als sie es tüten hörte, begann ihr Herz zu rasen. Einen Augenblick lang dachte sie, er würde die Mailbox antworten lassen, aber dann ging er doch ran.
Im Hintergrund lachten Leute, sie hörte Frauenstimmen.
»Mags?«, sagte Gabe. »Hallo?«
Wie bitter und traurig es war, bei demjenigen Geborgenheit zu suchen, der sie am allerwenigsten geben konnte. Wie ein Durstiger, der Salzwasser trinkt, dachte sie. Das Haus kam ihr plötzlich unheimlich still vor.
»Hi«, sagte sie.
»Wart mal, ich kann dich gar nicht hören. Ich geh kurz raus«, sagte er, und sie hörte langsam leiser werdendes Kreischen und Gelächter.
»Wie geht’s dir?«, fragte er. Seine Stimme war undeutlich, und sie konnte ihn kaum verstehen. Sie kauerte sich in die Ecke.
»Ganz gut«, sagte sie. »Hör mal, ich muss dir was sagen.«
»Hallo? Rufst du von der Wohnung aus an? Ich kann dich kaum hören.«
»Nein. Ich bin in Maine.«
Sie wollte stark klingen, um ihn zu beeindrucken.
»Was?«, sagte er. »Ich kann dich nicht hören.«
»Ich bin in Maine.«
»Ach. Allein?«, fragte er.
»Nein«, sagte sie. Bei der Erwähnung von Rhiannon hätte sie nur wieder zu weinen angefangen. »Mein Bruder kommt mit ein paar Freunden hoch.«
»Hey, das klingt ja super«, sagte er. »Grüße an Chris.«
»Wie läuft’s in New York?«, fragte sie. Und dann sagte sie es, trotz allem: »Ich vermisse dich.«
»Genaugenommen bin ich in East Hampton«, sagte er. »Vermiss dich auch.«
Ihr drehte sich der Magen um, und plötzlich wandelte sich ihre Traurigkeit in Wut. Wenn es um Gabe ging, waren diese Gefühle selten voneinander zu trennen.
»Warum?«, sagte sie.
»Warum ich dich vermisse?«
»Warum du in den Hamptons bist.«
»Ach, da ist dieses Mädchen. Hayes kennt sie vom College. Ihre Eltern haben hier ein ziemlich nettes Strandhaus. Er wollte sowieso mit ein paar Freunden fahren, und ich hab in den nächsten zwei Wochen keine Arbeit, weil, naja, du weißt ja, wie es ist, und da dachte ich, kann ich auch hier abhängen.«
Mit diesen Worten lösten sich auch ihre letzten Hoffnungen in Luft auf. Er hatte sich nicht auf dem Sofa zusammengerollt und ihrer Rückkehr geharrt. Und wenn sie in Brooklyn auf ihn gewartet hätte, hätte er nicht irgendwann vor ihrer Tür gestanden. Nicht morgen, nicht übermorgen und nicht am Tag darauf.
»Es ist super schön hier«, sagte er. »Gleich geht’s auf einen kleinen Nachtsegeltörn.«
Er klang besser denn je.
»Was wolltest du mir sagen?«, fragte Gabe.
»Vergiss es«, sagte Maggie. »Ich muss Schluss machen. Ich glaube, ich hab draußen Chris’ Auto gehört.«
»Okay«, sagte er. »Du, was letztens passiert ist tut mir leid. Aber es ist wohl das Beste, wenn wir es erstmal lassen, meinst du nicht?«
»Mach’s gut, Gabe«, sagte sie.
Sie legte auf und fühlte sich ganz und gar unbefriedigt, widerstand aber dem Wunsch,
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