Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Danach konnte ich monatelang nichts aufs Papier bringen. Und ich habe natürlich nie wieder etwas irgendwo hingeschickt.«
»Ach ja, diese Briefe sind mir nur allzu vertraut«, sagte Maggie.
»Ich sah mich schon dem Wahnsinn verfallen und das ganze Pfarrhaus damit tapezieren.«
»Gute Idee! Ich hatte mal überlegt, meinen Tisch damit dekorativ zu bekleben.«
Er lachte ein tiefes Lachen, ehrlich und aus dem Bauch heraus. Sein Lächeln war warm, und er sah ein bisschen altmodisch aus. Vielleicht war klassisch der bessere Ausdruck, um sein Aussehen zu beschreiben.
Hatte sie ihn unterschätzt? Er wirkte freundlich und aufrichtig. Maggie rief sich zur Ordnung: Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich in einen katholischen Priester zu verlieben.
»Aber Sie schreiben so zauberhafte Predigten«, sagte Alice.
»Ja, und keine davon wurde je als inhaltlich überholt und stilistisch schwach bezeichnet.«
Maggie zog eine Grimasse: »Das haben die geschrieben?«
»Ja. In dem einzigen persönlichen Brief, den ich je als Antwort bekommen habe.«
»Ach, kümmern Sie sich doch nicht um diese Idioten. Was ich wissen will ist, was Gabe sich diesmal geleistet hat«, sagte Alice. Sie war die Königin des Themenwechsels und hatte sich offenbar gelangweilt.
»Er hat Versprechen gemacht, die er nicht halten konnte«, sagte Maggie.
»Er hat dir keinen Ring gegeben!«, sagte Alice stolz, als hätte sie gerade eine Wer wird Millionär? -Frage beantwortet.
»Ha, nein«, sagte Maggie. Und als wäre das die richtige Gesellschaft, um über außereheliche Lebensgemeinschaften zu sprechen, fügte sie hinzu: »Wir hatten geplant, zusammenzuziehen, aber er hat es sich in letzter Minute anders überlegt.«
Alice verzog das Gesicht. Sie sah ehrlich verletzt aus. »Dieses kleine –«, fing sie an, doch dann warf sie dem Pfarrer einen Blick zu und schien sich zu einer anderen Formulierung zu entschließen: »Was für ein fieser Kerl.«
»Ich hatte erwartet, dass du mich darauf hinweisen würdest, dass wir vor der Ehe sowieso nicht zusammenleben sollten«, sagte Maggie.
»Ach, Quatsch«, sagte Alice. »Ich halte das sogar für äußerst wichtig! Man muss einander doch kennenlernen. Außerdem ist diese Stadt so unendlich teuer, da braucht man doch einen Mitbewohner. Solange man nicht im gleichen Zimmer schläft, sehe ich da gar kein Problem.«
War das jetzt ein Witz oder nicht? Maggie war sich nicht ganz sicher.
»In meiner Generation haben viele Mädchen nur geheiratet, weil ihr Freund in den Krieg gezogen ist«, sagte Alice. »Sie kannten die jungen Männer kaum, und schon gar nicht die Person, die aus dem Krieg wiederkam. Und die meisten von uns sind bei den Eltern aus- und direkt beim Ehemann eingezogen. Wir haben erst alleine gelebt, als wir klapprige Alte waren. Heute gehen die jungen Leute das schlauer an. Obwohl ich ja denke, dass ihr die Liebe ganz falsch versteht.«
»Ach ja?«, fragte Maggie.
»Ihr scheint zu glauben, dass man heiratet, wenn man dieses überwältigende Gefühl empfindet, das ihr Liebe nennt. Und dann erwartet ihr, dass dieses Gefühl mit der Zeit abflaut, weil das Leben schwerer wird. Stattdessen solltet ihr euch einen netten jungen Mann suchen und der Liebe den Raum geben, sich über die Jahre hinweg, über Geburten und Todesfälle hin, langsam zu entwickeln.«
Maggie blickte Pfarrer Donnelly an.
»Eine beeindruckende Frau, nicht wahr?«, sagte er und legte kurz die Hand auf Alices Arm. »Ich sage ja schon immer, dass sie ihre eigene Talkshow haben sollte.«
»War es denn bei dir so, Oma?«, fragte Maggie und hielt die Luft an. Sie erinnerte sich nur allzu gut daran, wie sich Alice am Abend zuvor beim Essen mit Rhiannon plötzlich verschlossen hatte.
Alice blickte nachdenklich ins Leere: »Tja, ich glaube schon. Ja, bis zu einem gewissen Grad war es wohl so.« Mehr konnte sie Maggie nicht geben, aber das reichte ihr. Jetzt wechselte Alice das Thema und sprach von einem Zeitungsartikel über den Erfinder der Intelligenten Knete.
Maggie lehnte sich zurück und schaltete ab. Sie fühlte sich so wohl und zufrieden wie seit Wochen nicht. Für solche Gespräche war sie hergekommen, für diesen Austausch mit Alice, der einfach Spaß machte und ihr das Gefühl gab, willkommen zu sein. Sie überlegte, vielleicht doch länger zu bleiben. Das alte Sommerhaus würde sonst für den Rest des Monats einfach leerstehen. Und vielleicht würde es noch mehr Mittagessen wie dieses geben, und Zeit zum Schreiben und
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