Sommer in Maine: Roman (German Edition)
wieder in die Höhle der Löwin nebenan wollte. Vielen Dank, dass ihr mich wie Dreck behandelt. Darf ich euch nun das Abendessen servieren? Aber so waren die Kellehers. Hier entschuldigte man sich nicht, wenn man rauh geworden war. Stattdessen kittete man die Risse mit selbstgemachter Spaghettisoße, abgedroschenen Witzen und hochprozentigen Cocktails.
»Du willst jetzt schon mit dem Kochen anfangen?«, fragte sie. »Es ist erst halb fünf. Da ist doch noch Zeit für einen Strandspaziergang zu zweit.«
»Alice isst gern früh«, sagte Maggie. »Kommst du jetzt mit?«
»Nein, ich bleib noch ein bisschen hier«, sagte Kathleen. »Ich hab noch was zu tun.«
»Okay«, sagte Maggie.
»Du«, sagte Kathleen. »Spinn ich oder meidest du mich wirklich?«
»Wie bitte? Mama, wir sitzen seit drei Stunden hier und reden.«
Maggie war nicht wiederzuerkennen. Aber andererseits war Kathleen ja auch nicht ganz sie selbst.
»Du hast ja recht. Entschuldige. Ich klammere wohl ein bisschen.«
Maggie küsste sie auf die Stirn. »Komm bald nach, ja?«
»Mach ich«, sagte Kathleen. »Also Nudeln mit Tomatensoße? Vielleicht wollte Ann Marie dir also mit der Soße helfen, als sie auf den Tomatenpflanzen herumgetrampelt ist.«
Maggie grinste: »Tja, vielleicht.«
Auf der Motorhaube ihres Wagens sitzend erledigte Kathleen alle beruflichen Telefonate, die ihr einfielen. Dann rief sie Arlo an, und er wollte gleich wissen, ob Maggie sich schon darauf freute, nach Kalifornien zu ziehen.
»Naja«, sagte sie. »Es könnte noch ein bisschen dauern, bis ich ihr klar gemacht habe, dass es das Beste für sie ist.«
»Sag ihr, dass hier in jedem Fall in alter Knacker, zwei betagte Hunde und ein paar Millionen Würmer sehnsüchtig ihrer Ankunft harren«, sagte er. »Ich hab heut früh schon mal das Büro ausgeräumt.«
Kathleen war klar, dass sie dankbar sein sollte, aber beim Gedanken daran, dass ihr gemütlicher, chaotischer Arbeitsplatz jetzt leer war, tat ihr das Herz weh. »Und wo sind meine Sachen?«
»In Kisten im Schuppen«, sagte er. »Es ist ja nicht für immer, Kath. Dieses Baby könnte noch unser größtes Abenteuer werden.«
»Du bist einfach wunderbar«, sagte sie.
»Und wer weiß? Vielleicht kriegen wir doch noch Lust auf ein eigenes.«
»Okay, jetzt bist du verrückt geworden.«
Er fragte nach Alice.
»Ich versuche, freundlich zu bleiben, aber du weißt ja, wie es ist«, sagte sie. »Und zu allem Überfluss ist Ann Marie auch noch da. Die beiden machen schon mittags die erste Flasche auf.«
»Du schaffst das«, sagte er.
Nach dem Telefonat blickte sie vorsichtig zum Haus ihrer Eltern, dann zündete sie sich eine Zigarette an. Sie sah sich um. An das Meer, den Strand und das alte Sommerhaus hatte sie sich noch gut erinnert. Aber was sie fast vergessen hatte, war die alles umgebende Natur: Die riesigen, üppigen Pinien und Birken, die den Garten ihrer Mutter überschatteten; die knallrot und blau gefiederten Vögel; das vielstimmige Quaken, das vom Sumpf auf der anderen Straßenseite zu ihr drang; die Mücken, derentwegen sie ihre Kinder, als sie klein waren, fünfmal am Tag in Zedernöl gebadet hatte. (Ann Marie hatte Autan an die Haut ihrer Kinder gelassen. Verflixte Chemiekeulen.)
Kurze Zeit später kam der Pfarrer die Einfahrt runter.
Der schon wieder? Meine Güte, war der Pfaffe denn so schlecht bezahlt, dass er sich nebenbei als Handwerker verdingen musste?
»Ich hab das Ersatzteil für die Spüle«, sagte er und hielt eine braune Papiertüte hoch.
Kathleen nickte ihm zu. Dann drückte sie die Zigarette aus und ertappte sich bei dem absurden Gedanken, dass er es hoffentlich nicht ihrer Mutter erzählen würde.
»Ist hier alles in Ordnung?«, fragte er. Er klang nervös. »Beim Mittagessen waren ja alle ein bisschen angespannt.«
»Ach ja?«, meinte Kathleen.
»Wissen Sie, wo ich Alice und Ann Marie finde?«, fragte er. »Ich glaube, wir müssen mal reden.«
»Drüben im Neubau«, sagte sie. Da schien sich was zusammenzubrauen, also fügte sie hinzu: »Ich komme mit.«
In der Küche duftete es schon nach Tomatensoße. Maggie und Alice standen vor dem Herd und unterhielten sich über ein Buch, das Maggie ihrer Großmutter empfahl. Im Wohnzimmer nebenan saß Ann Marie auf dem Sofa und war aus für Kathleen vollkommen unersichtlichen Gründen damit beschäftigt, Stoffproben aneinanderzunähen. Vor ihr stand ein fast leeres Weinglas.
»Pfarrer Donnelly!«, rief Alice, als sie ihn sah. Kathleens Anwesenheit
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