Sommer in Maine: Roman (German Edition)
hingegen war offenbar keines Kommentars wert. »Es war doch nicht nötig, dass Sie so schnell wiederkommen. Ach, Sie sind ein wahrer Engel.«
»Das ist doch kein Problem«, sagte er. »Zufällig hatten sie das passende Ersatzteil tatsächlich auf Lager. Außerdem hielt ich es für angebracht, dass wir uns alle mal hinsetzen und miteinander reden. Ist Ann Marie da?«
Alice zeigte in Ann Maries Richtung und sagte in einem für alle deutlich hörbaren Flüsterton: »Sie trinkt und trinkt. Überhaupt benimmt sie sich heute seltsam.«
»Ich höre jedes Wort!«, fauchte Ann Marie von nebenan, was für sie tatsächlich äußerst bemerkenswert war.
Der Pfarrer legte die Stirn in Falten: »Das ist alles meine Schuld.«
»Ihre Schuld?«, sagte Alice. »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
»Ich fürchte, dass ich Ann Marie gegenüber unsere Vereinbarung bezüglich des Anwesens erwähnt habe«, sagte er.
Alices Augen weiteten sich.
Was für eine Vereinbarung? , dachte Kathleen.
Der Pfarrer fuhr fort: »Ich hatte gehofft, dass wir darüber reden können und ich Ihnen helfen kann, die Sache zu klären.«
»Das ist wohl ein Witz«, piepste Ann Marie von nebenan, sprang auf und stürmte zu ihnen in die Küche. Kathleen war vor Aufregung und Neugierde ganz kribbelig: Hier brodelte es, und sie hatte ausnahmsweise absolut gar nichts damit zu tun.
»Sie wollen das also klären, ja?«, fuhr Ann Marie den Pfarrer an. »Fangen Sie doch mal damit an, uns darzulegen, wie man einer alten Frau das Familiensommerhaus abschwatzt.«
»Was?«, rief Maggie.
Der Pfaffe sah Alice an: »Ich verstehe nicht.«
Alice baute sich vor Ann Marie auf. Sie als alte Frau zu bezeichnen war ein Fehler gewesen.
»Erstens hat hier niemand irgendjemandem etwas abgeschwatzt. Ich muss mich vor meinem Gast schämen«, knurrte Alice. »Zweitens ist das nicht dein Familiensommerhaus. Es ist meins. Meins!«
Ann Marie sah aus wie geohrfeigt. Sie tat Kathleen beinahe leid. Früher hatte sie Ann Marie oft zu erklären versucht, dass es nicht der Mühe wert sei, sich mit Alice gutzustellen: Wenn man sie nur ein einziges Mal verärgerte, war alles andere vergessen.
»Und wann genau hattest du vor, uns deine Pläne zu eröffnen?«, wollte Ann Marie wissen. Mittlerweile schrie sie schon fast. »Wie konntest du das Haus nur hergeben, ohne uns davon etwas zu sagen? Ich begreife das einfach nicht.«
Da sie an der ganzen Sache nur indirekt beteiligt war, hielt Kathleen es für ihre Aufgabe, die hitzige Diskussion etwas abzukühlen, also sagte sie ruhig: »Vielleicht sollten wir alle erstmal tief durchatmen und locker bleiben.«
»Du hast leicht reden«, sagte Ann Marie. »Dir ist Maine doch total egal. Du bist nach all den Jahren nur wieder aufgetaucht, um deine Tochter zu einer Abtreibung zu zwingen.«
»Das geht dich einen Dreck an«, sagte Kathleen.
»Das geht uns alle etwas an«, konterte Ann Marie.
»Nein, tut es nicht.« Kathleen hatte ja nur helfen wollen, aber jetzt stieg ihr Wutpegel von Null auf Hundertzehn. »Nur, weil du der Meinung bist, deine eigenen Kinder schon perfektioniert zu haben, musst du nicht noch versuchen, über meine Kinder Lorbeeren zu ernten.«
»Du wohnst am anderen Ende des Kontinents, Kathleen. Was weißt du schon von meinen Kindern?«, sagte Ann Marie.
»Fiona ist lesbisch, und Daniel Junior ist ein Vollidiot«, sagte Kathleen. »Aktuelle Nachrichten wieder um dreiundzwanzig Uhr.«
Ann Marie sah aus, als könne sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Sie hatte vermutlich nichts davon je in Betracht gezogen. Bitteschön, das kannst du jetzt erstmal verdauen .
Alices Augen verengten sich zu Schlitzen, und sie wandte sich Maggie zu: »Ist das wahr? Du bist schwanger?«
Dann drehten sich alle nach der armen Maggie um, auf deren Hals und Gesicht sich Ausschlag ausbreitete. Kathleen streichelte den Arm ihrer Tochter und sah zum Pfarrer rüber, der nur auf seine Schuhe starrte.
»Ja«, sagte Maggie.
»Jesus, Maria und Joseph!«, sagte Alice. »Und wir sind wochenlang hier zu zweit und du erzählst mir nichts.«
»Ja.«
Alice erstarrte: »Und was hast du jetzt vor?«
»Ich werde das Kind behalten«, sagte Maggie.
»Und Gabe?«
»Der hat damit nichts mehr zu tun.«
Alice warf die Hände in die Luft: »Na gut, es gibt Schlimmeres.«
Alices Gelassenheit machte Kathleen rasend: Wenn es eines von Ann Maries Kindern wäre, das jetzt dastand und ihnen diese Neuigkeit überbrachte, hätte Alice einen Herzinfarkt gehabt. Aber von
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