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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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mit natürlich vollkommen übertrieben sorgenvollem Gesichtsausdruck in der Tür.
    »Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragte sie Maggie. »Ich bin doch für dich da.«
    Kathleen unterdrückte ein Lachen: »Keine Sorge, das mache ich schon. Ich weiß wohl noch am besten, was meine Tochter braucht.«
    Die Kellehers waren stolz darauf, dass auch beim allerkleinsten Unglück alle sofort zur Stelle waren, von Arztbesuchen und Beerdigungen bis zur Reifenpanne. Vielleicht war das der Vorteil einer großen Familie, aber auf Kathleen hatte das immer ein bisschen heuchlerisch gewirkt: Als könne man die fürchterlichen Dinge, die man einem anderen über Jahrzehnte hinweg angetan hatte, dadurch wiedergutmachen, dass man seine Temperatur maß oder eine Kasserole vorbeibrachte.
    Jetzt kam auch Alice ins Haus gestürmt. Auf dem Kopf trug sie etwas, das wie ein Imkerhut aussah, der Schleier verhüllte noch ihr Gesicht.
    »Bist du wahnsinnig geworden?«, fuhr sie Ann Marie an. »Was fällt dir ein, meine Tomatenpflanzen zu zertrampeln!«
    »Wovon redest du?«, sagte Ann Marie.
    »Ich habe es genau gesehen! Ich wollte gerade in den Garten gehen und da sehe ich dich auf den Pflanzen herumtrampeln und hier ins Haus rennen. Warum, Ann Marie? Du weißt doch, was ich schon mit den Kaninchen für Sorgen habe.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon zu redest«, sagte Ann Marie kleinlaut. »Vielleicht bin ich aus Versehen –«
    »Wie stellst du dir das vor, eine Tomatenpflanze versehentlich zu zertrampeln?« Dann heftete sich Alices Blick auf Kathleen: »Musst du immer Unruhe stiften?«
    »Ich? Was hab ich denn damit zu tun?«
    Alice stöhnte: »Keine Ahnung, aber es ist so: Wenn du in der Nähe bist, ist Drama vorprogrammiert. Und Maggie fängt auch sofort an, einem auf die Nerven zu gehen.«
    »Meine Güte«, sagte Kathleen.
    »Ich mache jetzt einen Spaziergang, um mich wieder zu beruhigen«, sagte Alice. »Ich brauche eine Pause. Ihr benehmt euch heute alle wie ein Haufen Kanadier. Ich halte das nicht länger aus.«
    »Kanadier?«, fragte Kathleen.
    Maggie schüttelte den Kopf: »Frag nicht.«
    Dann stampfte Alice davon, und Ann Marie sagte: »Naja, wie dem auch sei. Maggie, ich hatte ja keine Ahnung. Wie kann ich dir helfen?«
    »Du könntest sie in Ruhe lassen«, sagte Kathleen. »Wenn sie gewollt hätte, dass du dich einmischst, hätte sie dir wohl davon erzählt.«
    »Ist schon in Ordnung. Früher oder später hätten es sowieso alle erfahren«, sagte Maggie. Warum war ihre Tochter immer so verdammt zuvorkommend? Maggie war ihr keine Hilfe bei dem Versuch, Ann Marie loszuwerden. Sie war viel zu höflich. Also musste Kathleen es anders versuchen.
    »Was war das überhaupt für eine Geschichte mit den Tomaten?«, fragte sie beiläufig.
    Ann Marie errötete. »Wenn mich jemand braucht: Ich bin unten am Strand«, sagte sie und verschwand nach draußen.
    Kathleen hatte erwartet, dass Maggie und sie wenigstens beim Abendessen unter vier Augen sein würden. In einer von Arlos Ernährungsfachzeitschriften hatte sie von einem Restaurant in einer alten Hafenlagerhalle in Portsmouth gelesen, dem Schwarzen Horn. Der Küchenchef benutzte ausschließlich Biozutaten von Bauernhöfen aus der Region.
    Kathleen hatte sich vorgestellt, wie sie sich gemütlich zusammensetzten und endlich alles ausführlich besprachen. Sie hatte Maggie bisher noch nicht einmal erzählen können, wie sie sich das mit dem Kinderzimmer vorstellte (das jetzt noch ihr Arbeitszimmer war), und dass ein Freund von Arlo ein paar Höfe weiter selbstgemachte Babynahrung im Angebot hatte. Sie hatte Dankbarkeit erwartet, Anerkennung dafür, dass ein weiteres Kind großzuziehen zwar das Letzte war, worauf Kathleen Lust hatte, aber dass sie es für Maggie tun würde.
    Das würde sich alles beim Abendessen ergeben, hatte sie gehofft. Aber als sie das Restaurant am späten Nachmittag erwähnte, eröffnete Maggie ihr, dass sie Alice versprochen hatte, Spaghetti zu kochen.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich ihr das nicht versprochen«, sagte sie entschuldigend. »Alice und Ann Marie haben so viel für mich gekocht, und da wollte ich im Gegenzug auch mal was für sie machen. Warum kommst du nicht mit rüber und hilfst mir?«
    Irgendwie kam Kathleen sich wie ein kleines Kind vor, ein ausgeschlossenes kleines Kind. Im Gegensatz zu ihr war Maggie hier wunderbar integriert. Kathleen konnte einfach nicht begreifen, dass Maggie nach allem, was an diesem Tag vorgefallen war,

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