Sommer in Maine: Roman (German Edition)
einfach nur durchsetzen. Du kennst sie ja.«
»Ach, mach dir darüber keine Gedanken. Ich wollte dir noch was geben. Hier«, sagte sie und hielt Maggie den Umschlag ungeschickt entgegen.
Ihre Nichte öffnete das Kuvert und zog eine Karte heraus. Das Motiv war eine rosa und blaue Kinderrassel, darunter die Worte HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH.
»Danke«, sagte Maggie und bekam sichtlich feuchte Augen, »du bist die erste, die mir gratuliert.«
Dann lachte sie: »Mann, bin ich in letzter Zeit emotional! Ich heule wirklich bei jeder Gelegenheit.«
»Das war bei mir genauso«, sagte Ann Marie. »Und bei Patty auch. Ihr beiden solltet euch mal austauschen. Sie weiß genau, was man wie wann tun muss. Außerdem ist ihr Dachboden vollgestopft mit Babysachen. Und sie haben ja jetzt keine mehr. Das kannst du alles haben. Wenn du das nächste Mal in Boston bist, schauen wir uns das mal in Ruhe an.«
»Danke«, sagte Maggie.
»Patty kommt nächste Woche. Wenn du dann noch da bist –«
Sie betete, dass Maggie und Kathleen bis dahin weg waren.
»Keine Sorge«, sagte Maggie. »Ich arbeite schon daran, meine Mutter von hier wegzubewegen.«
Maggie öffnete die Karte und sah jetzt erst die zusammengefaltete Katalogseite: »Was ist denn das?«
»Ein kleines Geschenk für dich«, sagte Ann Marie.
Maggie faltete das Blatt auf und lächelte: »Ein Kinderwagen?«
»Ein Bugaboo Bee«, sagte Ann Marie und zeigte auf die Beschreibung. »Wie da steht, ist dieses Modell ideal an die Anforderungen des modernen Lebens angepasst! Der Bungaboo Bee ist kompakt, aber komfortabel: Für Eltern, die sich nicht aufhalten lassen! Ich dachte, das ist doch genau das Richtige für ein Stadtkind wie dich. Ich hab deine Adresse angegeben und er müsste eigentlich schon auf dich warten, wenn du nach Hause kommst.«
»Meine Güte«, sagte Maggie und starrte noch immer auf die Hochglanzanzeige in ihren Händen. »Das ist wirklich lieb von dir. Danke.«
Ann Marie hatte den Preis mit einem Filzstift übermalt, aber dadurch nur die Aufmerksamkeit auf die noch lesbare Ziffer gelenkt: Sechshundert Dollar. Tja, so viel kostete der Spaß heutzutage. Der Kinderwagen war nicht nur ein Geschenk, sondern auch ein bisschen Manipulation. Sollte Maggie, Gott bewahre, doch irgendwelche Zweifel daran haben das Kind zu bekommen, würde der Anblick eines schönen Kinderwagens in ihrer Wohnung sie täglich daran erinnern, dass ihr Kind gesegnet war und sie durchhalten müsse.
»Ich muss jetzt gehen. Ich hab Muscheln im Ofen. Komm doch später vorbei, dann lernst du unsere Freunde kennen.«
»Das mach ich«, sagte Maggie und drückte Ann Marie fest an sich. Jetzt kamen auch Ann Marie schon fast die Tränen.
»Vielen, vielen Dank«, sagte Maggie.
»Gern geschehen.«
Wie war es möglich, dass Maggie ein so nettes Mädchen geworden war, so freundlich und höflich? Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie sich, wie Ann Marie, schon früh um sich selbst hatte kümmern müssen. Bevor sie darüber nachdenken konnte, hörte sie sich sagen: »Du kannst jederzeit zu mir und Pat ziehen. Jetzt oder wenn das Baby da ist. Ich kümmere mich schon um euch. Solltest du dir das wünschen.«
»Das ist sehr großzügig von dir«, sagte Maggie. »Schauen wir mal, was sich noch so ergibt.«
Sie nickte: »Das machen wir.«
Dann ging Ann Marie ins Haus zurück, um sich eines ihrer neuen Designerkleider anzuziehen. Es war grasgrün mit rosaroten Blüten. Sie hatte noch nicht einmal das Preisschild abgeschnitten. Das tat sie jetzt, schlüpfte dann in das Kleid und fand, dass sie darin wirklich ziemlich gut aussah. Sie legte ein wenig Lipgloss und Mascara auf, dann wartete sie.
Kurze Zeit später fuhren die beiden Autos vor dem Haus vor und die drei stiegen aus. Sie plauderten und lachten und veränderten von einem Moment auf den anderen die geruhsame Atmosphäre, die bis dahin geherrscht hatte. Ann Marie trat vor die Tür, um sie zu begrüßen.
»Hallo!«, rief sie fröhlich. »Willkommen!«
»Ann Marie«, sagte Linda und umarmte sie. »Das ist das reinste Paradies hier.«
»Ja? Gefällt es dir?«, sagte sie bescheiden, wie sie es in der Newtoner Nachbarschaft gelernt hatte.
Dann erschien Steve hinter seiner Frau mit zwei überdimensionalen Reisetaschen über der Schulter. Er umarmte Ann Marie ungeschickt, weil die Taschen dabei nach vorne rutschten, aber immerhin sagte er: »Du siehst toll aus. Das Meer steht dir ausgesprochen gut.«
Sie spürte wieder die Aufregung, die sie in
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