Sommer in Maine: Roman (German Edition)
seiner Nähe immer packte.
»Na dann kommt mal rein. Es warten auf euch Muscheln, Erdbeeren, eine Käseplatte und eine offene Flasche Wein«, sagte sie und stellte sich vor, wie sich seine Lippen wohl anfühlten.
»Was für eine Gastgeberin!«, sagte Linda.
Pat kam hinter Steve zu ihr auf die Veranda und drückte sie lange und fest an sich.
»Hab dich vermisst«, sagte er.
Sie tätschelte seine Wange, und ihr war sofort klar, dass er seit ihrer Abreise täglich heimlich Fast Food gegessen haben musste. Seine Wangen waren aufgedunsen und der Bauch um ein paar Pfund größer. Ann Marie würde sich Pat später vornehmen.
»Ich dich auch«, sagte sie jetzt nur.
Dann waren alle im Haus, ließen die Taschen im Eingang liegen und machten es sich im Wohnzimmer gemütlich, wo Ann Marie Wein einschenkte. Sie stellte das Silbertablett mit den Horsd’œuvres auf einen Hocker, wie sie es in der letzten Ausgabe von House & Garden gesehen hatte.
Steve setzte sich auf die Klavierbank, obwohl der Sessel frei war und auch auf dem Sofa neben Linda Platz gewesen wäre.
Er bewegte die Finger ungeschickt über die Tastatur.
»Spielst du?«, fragte Pat.
»Klar doch. Ich bin doch der neue Ray Charles«, sagte er. »Du müsstest nur mal meine Version von Heart and Soul hören.«
Dann fing Pat vom Verkehr an und Linda lobte den Greyerzer und wollte wissen, wo Ann Marie den aufgetrieben hatte. Ann Marie antwortete höflich, aber eigentlich war sie ein bisschen verärgert, dass noch keiner, nicht einmal Steve, das Puppenhaus erwähnt hatte, das vor ihrer Nase auf dem Tisch stand.
Irgendwann stellte sie sich dann daneben und sagte: »Ihr hättet sehen sollen, was los war, als der Lieferant mit dem Puppenhaus kam.«
Das Gespräch stockte kurz, bis Pat sagte: »Ach ja? Erzähl!«
Verflixt! Eigentlich war ja gar nichts gewesen.
»Es hat nicht durch die Tür gepasst«, improvisierte sie, »also musste er es auf die Veranda schleppen und es durch die andere Tür reinbringen.«
»Was? Aber wie –«, begann Pat.
Zum Glück unterbrach Steve ihn: »Das ist also das Haus für den großen Wettbewerb, von dem du erzählt hast?«
Sie nickte und freute sich, dass er es doch nicht vergessen hatte.
»Wirklich hübsch«, sagte er.
»Oh ja«, stimmte seine Frau zu.
»Danke. Ich wollte schon immer eines aus Backstein haben. Die sind nämlich sehr selten.«
»Tatsächlich?«, sagte Linda. »Die kleine Hundehütte im Vorgarten finde ich ganz besonders entzückend.«
Ann Marie hatte sie erst am Abend zuvor grau gestrichen und aus Ton einen weißen Knochen gemacht und so hineingelegt, dass man ihn nur sehen konnte, wenn man in die Hütte hineinsah.
»Es gibt noch viel zu tun«, sagte sie. »Letzte Woche hatte ich mir erstmal nur die Vorhänge und Läufer vorgenommen. Und den Rasen.«
»Da hast du aber ganz schön geschuftet«, sagte Steve. »Dann hast du dir jetzt den Urlaub verdient.«
Er hob sein Glas und sagte: »Auf zauberhafte Tage mit euch!«
Die anderen standen auf, und alle stießen über dem Puppenhaus an. Ann Marie war dankbar, unter Menschen zu sein, die ihr Anerkennung gaben. In diesem Augenblick kam es ihr vor, als wären die letzten Tage nie gewesen.
Am nächsten Morgen verschwanden Pat und Steve schon früh zum Golfspielen. Die beiden Frauen schliefen aus und gingen dann zum Strand hinunter. Ann Marie konnte sich nicht erinnern, Alice je zuvor bei so einer Gelegenheit nicht eingeladen zu haben. Zwar wäre Alice sowieso nicht mitgekommen, denn sie ging mittlerweile fast nie zum Strand hinunter. Außerdem mied sie Ann Marie anscheinend und hielt sich, wenn sie nicht gerade in der Kirche war, im Haus nebenan versteckt. Bisher war sie noch nicht einmal vorbeigekommen, um die Brewers zu begrüßen. Ann Marie war das nur recht, denn sobald sie ihre Schwiegermutter zu Gesicht bekam, wollte sie nur noch schreien. Trotzdem kam ihr die Entscheidung, Alice nicht einzubeziehen, irgendwie bedeutsam vor.
Sie stellten die Stühle auf den trockenen Sand bei den Dünen, damit sie nicht würden umziehen müssen, wenn die Flut kam. Zwischen ihnen lag ein Stoffbeutel mit Sonnencremes, Wasser, Zeitschriften und einer Flasche Weißwein, über deren Hals zwei Plastikbecher gestülpt waren.
»Wie herrlich, dass ihr das alles hier ganz für euch alleine habt«, sagte Linda, blickte das Ufer entlang und knotete ihren Sarong auf. Sie sah besser aus als letzten Sommer. Ihre Beine waren straffer und die Oberarme weniger schlapp. Ann Marie zog den
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