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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Mitte, Fenster und Gang waren längst vergeben. Egal, dachte Sophie, Hauptsache, ich fliege mit. Am Einstieg begrüßten sie zwei Stewardessen höflich, aber desinteressiert. Dies war ein Routineflug, noch nicht einmal zwei Stunden Flugzeit. Geschäftsleute, Städtetouristen und die Auswahl Berliner Jugendfußballer, die zu einem Turnier in die österreichische Hauptstadt flogen. Sophie versuchte ihre modische Handtasche, ein ziemlich großes Objekt, vorsichtig durch den Mittelgang zu lavieren, doch der Taschen-Rammbock nahm die eine oder andere Lehne mit. Leider hieb sie auch gegen das Ohr eines glatzköpfigen Mannes, der sich unwirsch umdrehte und zornig irgendetwas zischte. Sophie widerstand der Regung, ihm beruhigend über die Glatze zu streichen. Da war ihr Sitz, 13 E. Auf dem Gangplatz saß noch niemand, sie konnte sich unbehindert fallen lassen. Endlich sitzen, das tat gut.
    Wie hektisch sie gepackt hatte. Alles einfach rein in Koffer und Handtasche. Bloß weg hier, dachte sie. Mit Johann hatte sie nur sehr kurz telefoniert, er hatte bestürzt reagiert: »Du hast was? Zwangsurlaub? Warum … gut, ja, komm zu mir nach Wien. Wir reden dann. Ich muss jetzt auflegen, das Meeting beginnt gleich. Aber Doodle, ich kann dich nicht vom Flughafen abholen, wir treffen uns im Hotel. Und heute Abend gehen wir schön essen.« Sie flog also nach Wien. Und danach? Vielleicht machten Johann und sie zusammen einen kleinen Urlaub. Sophie wollte für alles gerüstet sein. Also würfelte sie ihre Auswahl wild durcheinander: Wanderhose für den Bergurlaub, Wickelrock für den Badestrand, das kleine Schwarze für das Städte-Hopping. Dazu Schuhe, Schuhe, Schuhe. Am Ende war der Koffer so voll, dass sie damit hätte auswandern können. Natürlich, man hätte auch das ein oder andere weglassen können, aber Sophie konnte sich nicht entscheiden. Kletterschuhe oder High Heels? Sie wusste ja nicht, was kam.
    Als sie die Handtasche auf den Boden stellte, hörte sie ein Knistern. Der chinesische Glückskeks, den hatte sie gestern Abend mit ihrer Freundin Nina bekommen, als sie um Mitternacht noch einen Abstecher in den China-Imbiss machten. Nina, dachte Sophie, die hat noch nie behauptet, ich sei nicht mütterlich. Wie oft habe ich auf ihre Jungs aufgepasst. Die Chefin sah ihre Kinder dagegen so selten wie ein geschiedener Vater mit Besuchsrecht. Der Sohn verschwand monatelang im Internat in der Schweiz, die beiden Töchter zog das Kindermädchen groß. Einmal war die Kleinste von zu Hause abgehauen und hatte sich ganz allein auf den Weg zu ihrer Mutter gemacht. Plötzlich stand sie mit großen Augen im Büro, wo Sophie sie entdeckte. »Friederike, was machst du denn hier? Soll ich dich zu deiner Mama bringen?« Die Kleine brachte keinen Ton heraus, ergriff Sophies Hand und ließ sich eine Etage höher bringen.
    Was danach kam, brach Sophie regelrecht das Herz. Sie hörte noch, wie ihre Chefin am Telefon das Kindermädchen anbrüllte, sie habe die Kinder nicht im Auge, benehme sich verantwortungslos und heute sei ihr letzter Tag im Haus. Friederike hatte derweil in Sophies Armen gelegen, der kleine Körper von Schluchzern geschüttelt, so sehr waren die Tränen geflossen.
    Es war einfach nicht fair, dass dieser dürre Drachen drei Kinder bekam und sie keines. Schwanger zu werden, das schien Sophie plötzlich wie eine ganz besondere Währung, an die sie nicht herankam. Ein exklusiver Klub, zu dem man ihr den Zutritt verwehrte. Ihre Chefin war da Mitglied. Neben der eigenen Firma, dem atemberaubenden Haus mit Garten in Zehlendorf, der privaten Autoflotte, den teuren Klamotten, den irren Reisezielen waren ihre drei Kinder einfach nur ein weiteres Statussymbol. Sophie bremste ihre Gedanken ab. Nicht durchdrehen!
    Die knisternde Tüte des Glückskekses ließ sich leicht öffnen. Sophie brach den Keks auseinander und fingerte den Zettel heraus. »Sie haben das Wichtigste vergessen«, stand dort auf Deutsch. Und auf Englisch: »You have left someone behind.« Wer, verdammt, übersetzte eigentlich diese Glückskeks-Sprüche?, fragte sich Sophie zum x-ten Mal. Entweder ein superbilliges Sprachcomputerprogramm, das in Nordkorea entwickelt worden war, oder ein bekiffter Langzeitstudent. Den Zettel ließ sie in die Tasche ihrer Jeans gleiten. Den verschmutzten Hosenanzug hatte sie zu Hause endlich ausgezogen. »Glauben Sie an solche Botschaften? Manche Menschen sind ja ganz verrückt nach diesen Glückskeksen, sie halten diese Zettel für

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