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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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fruchtbar. Davon hatte Mathilde Freud getrunken, deshalb wurde sie 1912 unerwartet schwanger. Wie viele Frauen vor und nach ihr. Du solltest das Brunnenhäuschen sehen – die Wände sind schon speckig, so viele Frauen haben sie berührt. Und die Mutter von Herrn von Studnitz, das ist der Hotelbesitzer, die hat acht Kinder hier oben geboren. Weil sie täglich von dem Wasser getrunken hat. Und weil sie katholisch war.«
    »Das sind doch Ammenmärchen«, muffelte Johann in den Hörer.
    »Und was uns Dr. Kemper erzählt, hat Hand und Fuß? Seit anderthalb Jahren sind wir dort in Behandlung. Hat es etwas gebracht? Ich will eine Pause von der Klinik einlegen, Johann. Mir geht es gut hier oben. Lass mich doch das Wasser trinken. Es wird sicherlich nicht schaden.«
    »Das ist ein Fehler! Vertane, wertvolle Zeit. Dein Hormonpegel sinkt wieder komplett, meint Dr. Kemper, und der Eisprung …« Beim Wort »Hormonpegel« musste Sophie an die schwarz-weißen Pegelanzeiger an Flüssen denken. Dieser Dr. Kemper durchmaß sie komplett. Durchleuchtete sie. Durchdrang sie bis in die letzte Zelle.
    »Hormonpegel und Eisprung – ich kann den Mist nicht mehr hören. Ich bleibe hier. Und zwar solange ich will!«, rief Sophie erregt dazwischen. Die Mutter der Kinder drehte sich interessiert um. Den Ausbruch hatte man vermutlich bis zu ihr gehört.
    Es folgte eine Pause am Telefon. Sophie und Johann stritten sich nicht oft, sie waren etwas ungeübt darin. Man sah sich viel zu kurz, um sich zu streiten.
    Johann meldete sich wieder zu Wort, gefährlich leise.
    »Was ist dieses Marienbrunn? So eine Art psychoanalytische Sekte? Wie viel kostet dich so ein Liter Wasser – hundert Euro? Oder mehr? Dieser Studnitz, ist das ein Guru? Dein Guru?«, fragte er atemlos ins Telefon.
    »Nein, ein ganz normales Hotel. Also fast normal. Ein bisschen schräg vielleicht«, verteidigte sich Sophie.
    »Im Netz kann ich nichts von Fruchtbarkeits-Wasser und Marienbrunn finden. Diese Sache stinkt doch. Mischen sie euch etwas ins Essen? Nimmst du an Schulungen teil? Hast du irgendetwas unterschrieben, Sophie?« Jetzt redete er sehr eindringlich und versuchte, die Panik in seiner Stimme zu überspielen.
    »Unterschrieben – o Gott, ja«, rief Sophie ins Telefon.
    »Was?«, bellte Johann erschrocken zurück. Jetzt wurde die Panik in seiner Stimme überdeutlich.
    »Das Check-in-Formular. War das schlimm?« Der Spott in ihrer Stimme war ebenso deutlich.
    »Mach dich nur über mich lustig, Sophie. Sobald ich kann, komme ich zu dir. Ich hole dich da raus. Versprochen! Deine Widerrede will ich jetzt nicht hören, du bist nicht mehr du selbst. Ich lege jetzt auf. Ich liebe dich, Sophie. Also, zumindest liebe ich die alte Sophie.«
    Tatsächlich drückte er die Austaste und war weg. Früher konnte man wenigstens noch den Hörer aufknallen, jetzt drückte man einfach weg. Wie unpathetisch. Sophie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
    »Sobald ich kann, komme ich zu dir.« Wenn er sich solche Sorgen um sie machte, was konnte dann wichtiger sein? Wahrscheinlich irgendein Geschäftsdeal. »Schatz, ich hänge hier an einer Steilklippe, könntest du mich bitte retten?« – »Klar, Baby. Lass mich noch zwei, drei Kundengespräche führen, dann bin ich für dich da.« Nein, sie wollte sich jetzt nicht ärgern. Irgendwann würde er schon hier oben auftauchen. Denn der gute Herr von Studnitz hatte ja recht, das Wasser allein reichte nicht. Sie brauchte auch Johann. Nicht sofort, aber bald.
    Ob das Wunderwasser überhaupt wirkte?
    Als Sophie vom Stein aufstand, merkte sie erst, wie verkrampft sie dort gesessen hatte. Zweimal telefoniert, zweimal Vorwürfe, zweimal hatte das Gegenüber das Telefonat grußlos beendet. Kein Wunder, dass ihr alles wehtat. Heute Nachmittag würde sie sich eine Massage gönnen; im Hotel-Angebot stand etwas von einer ayurvedischen Nacken- und Rückenmassage. Genau so etwas brauchte sie jetzt. Sie nahm ihre Handtasche vom Stein und ließ das Handy hineingleiten. Dann ging sie die Wiese hinunter in Richtung Gatter.
    Als der vermummte Vater sah, dass der Stein frei wurde, hetzte er hin. Der Platz war so schnell wieder besetzt wie eine begehrte Parklücke in der Innenstadt. Der Typ telefonierte unter seinem Schal. Jetzt hörte sie, was er redete.
    »Unter zwei Millionen Euro läuft da gar nichts. Der Mann hat einen Vertrag unterschrieben. Wenn er ihn bricht, dann verklagen wir den Kerl bis zum Ende seiner Tage! Der hat sich daran zu halten.

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