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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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schlief Zoe. Und eine der Freundinnen wachte über ihren Schlaf.
    »Ich denke, ja. Es besteht keine Gefahr mehr. Sagt zumindest Katalin – und sie ist Ärztin«, antwortete Sophie.
    Laura schaute sie nachdenklich an, betrachtete sie regelrecht, so als sehe sie Sophie zum ersten Mal. Und als müsse sie eine Entscheidung treffen.
    »Einen Moment«, sagte Laura, »geh nicht weg – ich bin gleich wieder da.« Dann verschwand sie in ihrem Zimmer.
    Geh nicht weg, dachte Sophie belustigt. Als ob ich jetzt so einfach wegschlendern könnte; ich stehe mitten in der Nacht in – sie schaute nach unten, um die Höhe abzuschätzen – also, acht Meter lagen bestimmt unter ihr. So hohe Leitern durften in Baumärkten gar nicht mehr verkauft werden, aber diese Leiter hier stammte noch aus einer Zeit vor TÜV und DIN-Norm. Trotz der schwindelerregenden Höhe fühlte sie sich ganz wohl auf ihrem Platz.
    Jetzt tauchte Laura mit einer Laterne in der Hand wieder auf. Sophie musste zweimal hinschauen. Tatsächlich, eine Laterne. So ein Ding, wie die sieben Zwerge es immer dabeihaben, kein dekoratives Windlicht für den picknickdeckengroßen Ziergarten des Reihenhauses, nein, eine richtige Laterne mit einer Kerze in der Mitte, die allerdings nicht brannte. Laura reichte die Laterne runter.
    »Die Streichhölzer liegen drinnen. Am besten, du zündest die Kerze erst an, wenn du hinter das Hotel gelangt bist«, begann Laura.
    »Wenn ich hinter das Hotel gelangt bin?«, echote Sophie verwundert.
    »Ich denke, du hast das Recht, etwas zu erfahren. Heute hat sich gezeigt, dass du eine von uns bist.«
    »Eine von uns?«, hakte Sophie nach und klang etwas unsicher – sollte Johanns Ahnung doch richtig sein? Gab es hier oben so etwas wie einen Geheimbund, eine verrückte esoterische Loge?
    »Es gibt einen Ort in Marienbrunn, den du noch nicht kennst. Die meisten Frauen im Hotel kennen ihn nicht. Ich habe den Schlüssel zu diesem Ort, ich entscheide, wer ihn zu sehen kriegt. Nenn mich ruhig die Schlüsselhüterin – das klingt zwar mittelalterlich, aber es trifft zu.«
    Sophie rieb sich die Augen. War sie hier in die Twilight-Zone geraten? »Ich verstehe kein Wort.«
    »Du weißt doch, seit Jahrhunderten kommen Frauen hier hoch, weil sie Hilfe erwarten. Die meisten von ihnen plagt die Kinderlosigkeit. Das war schon immer so. Manchmal hilft das Wasser, manchmal – wie im Fall von Zoe – leider nicht. Aber egal, wie es ausgeht: Wir alle stehen in einer langen Tradition. Das sollst du begreifen. Deshalb gebe ich dir jetzt den Schlüssel für heute Nacht.«
    »Und diese Schlüsselübergabe ist etwas Besonderes? Den kriegt nicht jede?«
    Der Gesichtsausdruck von Laura veränderte sich, sie sah plötzlich traurig aus. Auch älter, nicht mehr so mädchenhaft.
    »In den letzten Jahren kommen andere Frauen hier hoch, mit ganz anderen Problemen. Diese OP-Damen beispielsweise. Ihnen fehlt …«, Laura suchte nach dem richtigen Wort, »… die Demut, so ein Geheimnis zu wahren. Vielleicht fehlt mir auch nur das richtige Gespür. Aber diese jungen Frauen sind wirklich aufdringlich, regelmäßig filmt mich eine mit ihrer Handykamera auf der Dachkante und stellt es nach dem Aufenthalt in Marienbrunn auf YouTube. Vielleicht haben sie einfach keine Ahnung vom Schicksal. Ist es Schicksal, mit einer niedlichen Höckernase geboren zu werden und sie sich dann zur Stupsnase umoperieren zu lassen? Ich denke kaum. Was Zoe allerdings durchmacht …« Sie zeigte nach links.
    »Kennen die drei anderen den Ort?«, fragte Sophie.
    »Noch nicht. Aber ich denke, sie kommen auch bald dran. Zoe braucht vielleicht noch ein paar Tage. So, hier ist der Schlüsselbund. Damit gehst du zum Brunnenhaus. Keine Sorge, um diese Zeit ist niemand mehr unterwegs. Die Kerze in der Laterne leuchtet dir den Weg. Du schließt mit diesem kleinen Schlüssel das Eisengitter an der Quelle auf und gehst dann zur Holztür neben dem Becken. Hast du sie schon bemerkt?«
    Diese unscheinbare Tür, von der von Studnitz behauptet hatte, es sei der Eingang zum Geräteschuppen? So ein Fuchs, er hatte sie belogen. Sophie nickte.
    »Das Schloss der Holztür lässt sich mit dem Bartschlüssel öffnen. Wenn du reinkommst, ist gleich rechts ein Drehschalter für das Licht; vergiss bitte nicht, den Schalter später beim Hinausgehen wieder auszudrehen. Lass dir so viel Zeit, wie du willst. Wenn du fertig bist, verriegelst du wieder alles und schiebst am Ende die beiden Schlüssel unter meiner Zimmertür hindurch.

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