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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Spätestens morgen früh möchte ich den Bund wiederhaben.« Und sie übergab Sophie einen großen, schweren Bartschlüssel, ein grobes Teil, vermutlich aus Eisen. Dazu noch einen kleinen, modernen Schlüssel.
    Bin ich hier im falschen Film?, dachte Sophie. Sie wollte sich doch eigentlich nur schlafen legen nach dem anstrengenden Tag. Jetzt stand sie hier in der Nacht auf einer Leiter und bekam obskure Anweisungen.
    »Warum jetzt?«, flüsterte sie empört. »Kann ich da nicht tagsüber hin? Muss es ausgerechnet mitten in der Nacht sein?«
    »Nein, tagsüber geht es nicht. Es sind zu viele normale Hotelgäste unterwegs, zu viele Wanderer. Die Gefahr, dass es auffliegt, wäre zu groß. Es gibt bislang kein Bild davon in irgendeinem Reiseführer und auch keinerlei Hinweise in volkskundlichen Büchern, nirgends taucht etwas auf. Das soll so bleiben. Deshalb geht es nur um diese Zeit. Jetzt los, trau dich«, ermunterte Laura sie.
    »Ehrlich gesagt, finde ich das etwas unheimlich, nachts allein zu den Kapellen zu gehen«, maulte Sophie.
    »Vertrau mir. Ich will dir nichts Böses. Glaube mir, du willst es gesehen haben. Du wirst Marienbrunn danach besser verstehen.«
    »Na gut«, murmelte Sophie, nahm die Lampe und kletterte leise murrend die Leiter hinunter. Sie sah auf die Uhr, es war kurz vor Mitternacht. Na super. Das wurde ja immer besser. Unten angekommen, kämpfte sie mit der überlangen Leiter. Einen Moment lang fürchtete sie die Balance zu verlieren und dachte, das Leiterende werde gleich eine der Scheiben des Speisesaals durchschlagen. Aber dann bekam sie das Schwanken unter Kontrolle. Im Gras vor dem Hotel lag die Leiter gut, da konnte sie bis morgen bleiben, Auftrag erfüllt.
    Unschlüssig stand sie mit der dunklen Laterne in der Hand im Gras. Sie spürte jetzt, wie kühl es geworden war. Sollte sie nicht einfach ins Bett gehen? Niemand würde es merken, denn ein Blick nach oben verriet, dass auch Laura wieder ins Zimmer zurückgekehrt war. Das ganze Hotel lag dunkel da, nur im Erdgeschoss brannte noch ein dämmriges Licht, falls ein Gast sich nach unten verirrte. Wie früh sich hier alle schlafen legten. In Berlin zog man um diese Zeit gerade los. Und genau dieser Gedanke stachelte sie nun an. Na gut, dann werfe ich eben einen Blick in dieses Quellhaus. Vielleicht erfuhr sie sogar etwas Neues über Mathilde Freud. Denn eigentlich, das musste sie sich eingestehen, war ihre Kenntnis über deren Aufenthalt hier oben bislang mehr als dürftig – Gerüchte, mehr nicht.
    Also lief sie los, einmal auf dem Trampelpfad um das Hotel herum, den Weg kannte sie ja schon. Schlagartig wurde es dunkler, nur aus einer gläsernen Seitentür, die zu einem der langen Hotelflure führte, drang noch Licht. Dorthin stellte sich Sophie und zündete die Kerze der Laterne an. Erst brannte der Docht ganz zart, dann erreichte die Flamme das Wachs und stabilisierte sich zu einem kleinen, kräftigen Flackern. Laterne voran, marschierte sie in Richtung der Kapellen, die duster und stumm vor ihr standen.
    Kein Licht drang aus den kleinen Kirchen, die finsteren Türmchen ragten steil auf, drei pechschwarze Gestalten in der dunklen Nacht. Das Mondlicht ließ zu wünschen übrig, und auch das Flämmchen erhellte nur eine Armlänge weit. Überhaupt machte das unruhige Flackern des Lichts die Sache nicht angenehmer. Alles wirkte plötzlich bedrohlich, und die unebenen Felssteinwände der Kirchen warfen wilde Schatten. Sophie mied den Anblick und konzentrierte sich lieber auf den Trampelpfad, der um die drei Kirchen herumführte. Dieses Gässchen, das in den Innenhof mündete, war sehr schmal gewesen. Wie sollte sie es jetzt finden? Mit der Hand fuhr Sophie die Wand entlang. Plötzlich wurde die Dunkelheit noch schwärzer, und das Gässchen öffnete sich vor ihr. Sophie hätte ebenso gut in ein schwarzes Loch hineinlaufen können. Sie klammerte sich fest an die Laterne, hielt diese mit weit ausgestrecktem Arm vor sich und bog in die enge Gasse ein. Atmen, Sophie, immer atmen. Konzentriere dich, gleich hast du es geschafft. Plötzlich blieb ihr fast das Herz stehen, denn etwas Weiches, Warmes streifte ihr Bein. Sophie schrie kurz auf, aber sie beruhigte sich schnell; das musste die Katze gewesen sein, die wieder die Flucht vor ihr ergriffen hatte. Tatsächlich, nun hörte man in einiger Entfernung ein Maunzen. Irgendwie beruhigend, nicht ganz allein zu sein.
    Das Plätschern der Quelle wurde mit jedem Schritt lauter. Und plötzlich sah sie über

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