Sommer-Sahne. Zwölf schwule Erotikgeschichten. (German Edition)
Kurve und stieg dabei etwas an. Als ich die Biegung geschafft hatte, erkannte ich hinter viel Grün eine hohe Mauer. Ich schöpfte Hoffnung. Wo eine Mauer war, musste auch ein Haus sein, und wo ein Haus war, wären Menschen nicht weit, und mit ihnen ein Telefon.
Mit neuer Energie marschierte ich an der Mauer entlang. Es schien ein riesengroßes Anwesen zu sein, denn es dauerte gefühlte Stunden, bis ich an ein Tor kam. Hohe, lanzenspitze Eisenstangen verwehrten den Zutritt. Kein Mensch war zu sehen.
»Privatbesitz! Zutritt verboten! Achtung, bissige Hunde!« stand wenig einladend am Tor. Ich fröstelte in der Sommerhitze. Was für Menschen mussten das sein, die es nötig hatten, sich so einzuigeln.
Neben dem Tor gab es zum Glück eine Klingel, aber kein Namensschild. Ich drückte auf den Messingknopf und wartete. Nach ein paar Sekunden tauchten zwei Rottweiler auf, die sich die Lunge aus dem Hals kläfften. Ihre Zähne wirkten nicht gerade ermutigend. Geifer tropfte ihnen aus den Mäulern. Nun war es mir ganz recht, dass der Eisenzaun solide gebaut war.
Kurz darauf zeigte sich ein Mann in dunkelblauer, gut geschnittener Uniform. Er war ein Riese, blond, mit strengem Gesichtsausdruck. Man sah ihm an, dass in seiner Körpermasse kein Gramm Fett steckte, alles nur Muskeln.
»Was wollen Sie?«, blaffte er unfreundlich, während die Rottweiler sich mit dem Bellen fast überschlugen.
»Ich hab eine Autopanne, ein paar Kilometer von hier, ich komm nicht mehr weiter, und der Akku von meinem Handy ist leer. Ob ich bei Ihnen mal telefonieren könnte?«, säuselte ich so freundlich wie möglich.
Er musterte mich scharf, als ob ich ein Doppelagent von mindestens drei feindlichen Supermächten wäre, und nickte dann gnädig. »Sie können im Pförtnerhaus telefonieren. Aber kein Schritt auf das Grundstück!«
»Danke, vielen Dank. Und … äh … die Hunde?«, fragte ich vorsichtig.
Der Hüne pfiff auf zwei Fingern. Aus dem Pförtnerhaus, das seitlich der Einfahrt etwas versteckt unter Bäumen lag, kam ein weiterer Hüne heraus, genauso imposant wie der erste, aber schwarzhaarig.
»Marcel!«, rief der Blonde. »Nimm mal die Hunde zurück. Der junge Mann hier hat eine Panne und will bei uns telefonieren.«
Mit dem »jungen Mann« meinte er wohl mich, obwohl ich gerade achtunddreißig geworden war und die beiden Wachmänner bestimmt nur zwei oder drei Jahre mehr auf dem Buckel hatten als ich.
»Okay, Max!«, gab der Schwarzhaarige zurück. Er pfiff nach den Hunden und leinte sie vor dem Pförtnerhaus an.
Max öffnete das kleine Fußgängertor innerhalb des großen Eisentores. Ich trat ein, immer mit einem Auge auf den kläffenden Rottweilern. Wer wusste schon, wie stabil diese Leinen waren? Verstohlen sah ich mich um. Am Ende der gewundenen Auffahrt konnte ich hinter Tannen und Eichen vage eine gigantische Villa entdecken. Da schob mich Max schon in das Häuschen hinein. Marcel folgte. In der Enge des kleinen Gebäudes wirkten die beiden Männer noch riesenhafter als draußen.
»Haben Sie ein Telefonbuch?«, fragte ich. »Ich hab die Nummer vom ADAC nicht dabei.«
»Haben wir ein Telefonbuch, Marcel?«, echote Max.
Marcel hob die massigen Schultern in völliger Ahnungslosigkeit. »Ich glaube … nicht!« Er sprach mit einem leichten französischen Akzent. »Brauchen wir denn unbedingt ein Telefonbuch?« Seine dunklen Augen glitzerten zu Max hinüber. Über Max’ Gesicht lief sichtbar eine Erleuchtung.
»Nein«, gab er zurück, »wir brauchen kein Telefonbuch. Aber vielleicht will unser Gast ein kühles Bier?«
Da sagte ich nicht nein. Ob ich mein Auto nun eine Stunde mehr oder weniger auf der Chaussee stehen ließ, war wirklich egal. Ich könnte mein Handy hier aufladen, denn im Nummernspeicher hatte ich den Autoclub ja drin.
Marcel schob mich ins Wohnzimmer, drückte mich in einen breiten Sessel und setzte sich mir gegenüber auf das Sofa. Ich steckte mein Handy über das Ladekabel, das ich durch einen Genieblitz noch aus meinem Rucksack im Auto mitgenommen hatte, in die Steckdose gleich neben dem Sessel. Max ging in die Küche. Ich hörte das verheißungsvolle Zischen, das beim Öffnen einer Bierdose entsteht. Fünf Sekunden später strömte das kühle Nass durch meine Kehle und rettete mich vor dem sicheren Verdursten. Gemeinsam tranken wir eine weitere Runde.
»Danke!«, sagte ich, als ich die zweite Dose absetzte. »Das war wirklich gut. Mein Name ist übrigens Michael.«
»Schöner Name, nicht wahr,
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