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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
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gezogen hatte, wirkte er, als hätte er die letzten zwanzig Jahre glatt verpaßt. Aber vielleicht feierten in Collano die Hippies wieder Auferstehung?
    Christa machte noch drei Schritte und wieder vier.
    Der im T-Shirt sah ihr entgegen und grinste.
    Aber dort war's zu lesen, links der mächtigen Steinleibung, in funkelndes Messing graviert:
    MICHELE D'ALESSIO – AVVOCATO
    Der Hippie stellte das Bein gerade und zupfte an seinem Schal. Schmutzige Fingernägel hatte er auch und ein amüsiertes, nein, freches Funkeln in den Augen. Die waren fast knallblau, was irgendwie unheimlich, aber vielleicht gar nicht so übel zu dem dunklen Haar paßte. Die Locken hatte er sich hinten noch zu einem Schwänzchen gezwirbelt. Halstuch und Zöpfchen, die Sorte gab's manchmal auch im ›Kiss me‹ in Kirchberg, trotzdem, Christa bedauerte, daß sie ›Herkules – die chemische Reizgas-Keule‹ nicht griffbereit in die Handtasche gesteckt hatte.
    Sie blieb endgültig stehen.
    »Ist was?«
    Christa spürte, wie ihre Ohren knallheiß wurden. So eine Frechheit! Aber wenn sie so einfach nur herumstand, bekam der Kerl auch noch Oberwasser.
    »Ich such den Anwalt Michele d'Alessio. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo der im Haus wohnt?«
    »Oh, den D'Alessio?«
    »Kennen Sie ihn überhaupt?«
    »Und ob!«
    Zähne, hochgezogene Mundwinkel, amüsiertes Blinzeln, sicher hat er das noch einstudiert! Wenn einer so lange Wimpern hat, kennt er die Wirkung.
    Bei Christa jedenfalls kam er damit nicht an.
    »Ist's dringend?«
    »Hören Sie mal, was geht das Sie an?«
    »Nichts. Gar nichts.«
    »Na also!«
    Entschlossen, das Kinn erhoben, wollte sie an dem Kerl vorübersteuern. – Der kam näher. Und kein Mensch auf dem Platz, weit und breit niemand. Wenn der dich jetzt anfaßt?!
    Ein physischer Angriff war es nicht, den Christa abzuwehren hatte, eher schon ein verbaler: »Ich wüßte was Besseres, als den D'Alessio. Gleich drüben im ›Mercato‹ gibt's wahnsinnig gute ›fragole in vino‹. Wir könnten doch zusammen …«
    »Wir? Wir können gar nichts zusammen.«
    Unglaublich! – Christa stieß die schwere Tür auf. »Erstes Stockwerk«, hörte sie hinter sich, »rechts.«
    ***
    EinDonnern, wie es nur solche Türen auslösen können, vielfach brach es sich im dunklen Treppenhaus.
    Kühlen Marmor hatte Christa unter den Sandaletten, vor sich die Treppe aus uraltem Stein, über sich eine schwere, schmiedeeiserne Ampel.
    Der Palazzo d'Alessio. – Und im ersten Stock rechts gab's nochmals ein Messingschild. Nur diesmal mit dem Zusatz: ›Sprechstunde nach Vereinbarung‹.
    Christa klopfte.
    Eine Frauenstimme antwortete. Christa drückte die Klinke herunter.
    Das Büro, das sie nun betrat, sah aus, wie Büros in mittelalterlichen Steinpalästen wohl aussehen müssen: sehr ungewöhnlich.
    Ungewöhnlich waren die Fensternischen, die durch meterdicke Mauern gebildet wurden, ein bißchen sonderbar über all den Akten und Stahlkästen wirkten auch die kleinen Engel, die zwischen den Gipsröschen an der Decke spielten. Sonst aber gab es alles, was es in Büros zu geben hat, einschließlich einer Olivetti-EDV-Anlage.
    Hinter einem graugestrichenen Stahlschreibtisch saß eine zarte ältliche Dame. Sie hatte graues Haar und Simpelfransen und blickte erschreckt aus riesigen, bebrillten dunklen Eulenaugen.
    »Entschuldigen Sie bitte, kann ich Herrn D'Alessio sprechen? Ich bin gerade angekommen.« Christa verhaspelte sich. »Es ist nämlich so, wissen Sie, ich bin Christa Schmidle aus Kirchberg. Kirchberg in Deutschland.«
    »Wie bitte?«
    Sie hatte alles, etwas unsicher vielleicht, aber immerhin in klarem Italienisch vorgetragen, und die kleine Eule kam ihr mit einem ›Cosa?‹.
    »Ich hätte gern den Anwalt gesprochen«, nahm Christa einen neuen Anlauf. »Mein Vater, Herr Theo Schmidle, war vor einigen Wochen hier und verhandelte mit ihm über die Villa Caruso – ich meine, über die Pacht der Villa Caruso. Und da es ja nun bereits sehr spät ist, die Saison beginnt doch schon Ende Juni, war es nach unserer Ansicht höchste Zeit, die Dinge auch juristisch einwandfrei … ich meine …«
    Sie gab's endgültig auf. Verdammt, war ja auch ein bißchen kompliziert.
    »Ah so?«
    Die ältliche Dame war hinter ihrem Schreibtisch aufgestanden, zart und gebrechlich und so klein, daß Christa wieder einmal nicht umhin konnte, auf jemand herabzublicken.
    »Schmidle? Ah ja, dieser lustige Herr … Wir haben viel gelacht zusammen. Und Sie sind die Tochter?

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