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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
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und hatte tiefbraune, freundliche Mandelaugen. Vielleicht stammte sie gar nicht vom Gardasee, so viele kamen doch aus dem armen Süden in den reichen Norden. Womöglich eine Sizilianerin?
    Aber da täuschte sich Christa.
    »D'Alessio?« sagte das Mädchen und versenkte einen zweiten weißen Mohrenkopf in goldgelbem Olivenöl. »D'Alessio gibt's viele. Es gibt Giuglielmo d'Alessio, es gibt die D'Alessio-Isa, dann den Vittorio, Claudio d'Alessio, ja, und natürlich auch noch den Avvocato.«
    Sie war doch an der richtigen Adresse: »Den suche ich.«
    »Das ist dann Michele d'Alessio.«
    »Und wo finde ich ihn?«
    »Ich könnte ja mit dir mitgehen, aber ich habe hier zu tun. Siehst du ja.«
    Christa nickte. Wie zutraulich die Kleine doch gleich geworden war. Sie hob den Zeigefinger: »Was ist das denn da im Glas?«
    »Willst du probieren? Das ist der beste Schafskäse der Gegend. Behauptet wenigstens mein Papa. Kannst versuchen.«
    Das wollte Christa eigentlich nicht, aber gegen die braunen Augen und das Lachen gab es keinen Widerstand, und so hatte sie, ehe sie bis drei zählen konnte, ein Stück Käse im Mund und fand, daß der prima schmeckte. Umwerfend geradezu.
    »Germania?« sagte das Mädchen. »Tedesca?«
    »Richtig.«
    Ein wenig war Christa nun doch irritiert. Die Kleine war nicht viel jünger als sie selbst, aber diese südliche Neugierde! Andererseits, daß sie einer Wildfremden gleich Schafskäse offerierte, war dies nicht wiederum ein Beweis spontaner Zuneigung, der Solidarität von Frau zu Frau? Schon während ihres Sprachstudiums in Bologna war es ihr aufgefallen: Die Italienerinnen schienen zwar ziemlich oberflächlich zu sein, nichts als Typen, fidanzati, Fummel und Diskothek im Kopf zu haben, aber ihre Spontanität war umwerfend. – Heutzutage, Olga sagte das, heutzutage sind die Frauen ja auch der interessantere Teil der Menschheit.
    »Ich gewinne immer.« Das Mädchen reichte Christa eine Papierserviette, damit sie sich das Öl von den Lippen tupfen konnte.
    »Wie bitte?«
    »Na, wenn so ein Tourist reinkommt, tippe ich mit mir selbst: Österreicher? Deutscher? Engländer? Bei den Japanern ist's nicht schwer, das sieht man sofort. Aber wir hatten auch schon Amerikaner hier.«
    »So?«
    »Klar. Hier kommt doch alles durch. Jetzt ist's noch früh, aber was glaubst du, im Juni! Collano hat als Touristenort eine große Zukunft, das steht in der Zeitung. Bei dir, da dachte ich mir sofort: Deutsche! Obwohl du ja aussiehst wie eine Italienerin.«
    »Und was ist an mir so deutsch?«
    Wieder ihr Lachen: »Der Blick. Wenn die Deutschen durch die Tür kommen, dann gucken die sich immer um, als falle ihnen gleich ein Putzeimer auf den Kopf.«
    ***
    »Auf dem Marktplatz gibt's einen Brunnen«, hatte das Schafskäse-Mädchen gesagt. »Das Haus gleich dahinter, das mit der größten Tür. Über der Tür ist ein Löwe, und zur Tür führen drei Stufen.«
    Jawohl, den Brunnen gab's. In seine Schale plätscherte es. Es plätscherte nur verhalten, aber das Geräusch erzeugte eine Nachmittagsstille, die die selbstgefällige Ruhe der großen alten Gebäude, die den Platz umstanden, noch verstärkte.
    Die größte Tür?
    Christa hatte sie sofort ausgemacht. Und das Haus erst …
    Da stand Christa nun, den Kopf im Nacken, um hochgucken zu können: graubraune Quader, einer über dem anderen. Leute, die so was bauten, brauchten sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Die bauten gleich mal vorsichtshalber für die Ewigkeit. – Dort war der Löwe! Im Wappen über dem Tor.
    Langsam nur, mit ganz kurzen Schritten, gewissermaßen auf seelischen Zehenspitzen, näherte sich Christa.
    Was für ein Trumm von Palazzo! Dort sollte nun der ›kleine Anwalt‹ wohnen, denn das hatte Theo gesagt: »Red als erstes mit dem kleinen Anwalt …«
    Wenn der so klein war, hier drinnen mußte man ihn erst mal suchen …
    Um keine Scherereien mit den verdammten Kontaktlinsen zu bekommen, hatte sich Christa ihre Sonnenbrille auf die Nase gesetzt, die mit den geschliffenen Gläsern.
    Jetzt nahm sie sie ab, setzte sie aber sofort wieder auf.
    Denn an der Tür stand einer.
    Er stand seitlich, den Rücken gegen die Steineinfassung, das rechte Bein am Knie abgewinkelt. Die Knie konnte man auch sehen. An dieser Stelle hatten die dreckigen Jeans ein Loch.
    Der Typ war jung, so weit man das bei dem Lockendurcheinander auf seinem Kopf überhaupt feststellen konnte. In dem roten, ölfleckigen T-Shirt, über das er eine alte, abgewetzte Lederweste

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