Sommer, Sonne, Ferienglück
und alles, was wir bisher reinsteckten, kassieren. All die Gespräche und Verhandlungen mit dem Bürgermeister, mit der Aufsichtsbehörde, wer hat sie denn geführt? Nur er. Und jetzt noch das. – Vielen Dank, Herr Schmidle, wird es dann heißen, und auf Wiedersehen.«
Langsam schüttelte Theo den Kopf. Vorwurfsvoll, nein, eher nachdenklich sah er seine Tochter an. »Also so mißtrauisch kann ich nicht sein. Und schon gar nicht ihm gegenüber. Was hast du nur gegen ihn? Also, wenn du mich fragst, ich halte ihn für einen netten Kerl …«
***
Christa vorne, Christa hinten, Christa oben, Christa unten … Wo immer in diesen Wochen geschippt, gekarrt und Zement gemischt wurde, war sie zu finden.
Die Männer von Marcos Truppe schienen sich nach ersten Anlaufschwierigkeiten an die Jeans- und Sandalen-Deutsche mit dem Strohhut auf dem Kopf gewöhnt zu haben. Die Anfangsschwierigkeiten bestanden darin, daß sie einfach so getan hatten, als würden sie sie nicht verstehen. Das war nicht so einfach durchzuhalten. Mit ihren schwarzen Haaren sah sie nicht nur aus wie eine Italienerin, sie sprach auch noch perfektes Italienisch – überkorrekt und ziemlich hart allerdings.
Bene, blieben sie bei ihrem Dialekt … Auch das half nicht weiter, denn nun funkte Marco dazwischen: »Habt ihr die Signora nicht gehört? Na also, dann tut's. Wird's bald?«
Und sie taten's. Der Alte mit den sechs Zahnstummeln im Mund war nun mal der Chef und dazu auch noch Giuliettas Bruder, und sich mit der Donna vom ›Mirtillo-Hof‹ anzulegen, hatte noch nie was gebracht.
Aber an diesem Morgen war ›die Deutsche‹ ungewöhnlich friedlich. Sie hockte nur auf einer Mauer, die Hände zwischen den Knien, und sah zu, wie die piastrelli der Poolterrasse geflickt wurden.
Irgend etwas stimmte nicht.
Mit dieser Vermutung kamen Marcos Leute der Wahrheit ziemlich nah.
Irgend etwas stimmte nicht mit Christa. Nicht einmal, daß jemand ihren Namen rief, hatte sie mitbekommen. Vielleicht mochte das bei dem Krach nicht weiter erstaunlich sein. Daß sie aber auch übersah, wie Michele d'Alessio in dunkelblauem, leichtem Leinenanzug und blütenweißem Hemd herankam, die Beine hoch wie ein Storch, um all dem Zeug, das kreuz und quer am Pool herumlag, auszuweichen, war schon bedenklich.
»Christa! Hallo!«
Nun nahm sie doch den Kopf hoch. Dabei bemerkte sie, daß sie auch die blöde Brille auf der Nase trug. Es war zu spät. Er stand schon neben ihr, auf der Mauer, nein, stand eigentlich über ihr, bückte sich und zog ein weißes Einstecktuch – ja, so was gibt's noch in Collano – aus der Brusttasche.
»Was soll denn das?«
»Richtig. Was wohl?«
Und kauerte sich tatsächlich nieder, um ihr, ehe sie es verhindern konnte, die Brille von der Nase zu nehmen und sie dann andächtig zu putzen.
Sie ließ es fassungslos geschehen.
»Das Ding ist ja voll Gips. Wie willst du denn da etwas sehen? Und dabei ist heute so ein herrlicher Tag!«
Er prüfte das Resultat seiner Arbeit und reichte ihr stolz die Brille zurück: »Jetzt kannst du wieder jedem ganz genau auf die Finger gucken. Aber wenn du mich fragst, das bringt auch Nachteile. Weißt du, was meine Tante immer sagt? ›Ich bin froh, daß ich kurzsichtig bin, die Welt heute ist zu mies, als daß man sich eine Brille leisten könnte.‹«
Die blauen Augen, das übliche Lächeln, die üblichen Sprüche – sie spürte, wie der alte Ärger wieder in ihr hochkroch.
»Ich frag' aber nicht. Und mit den Weisheiten deiner Tante kannst du …«
Doch was er damit konnte, behielt sie für sich. Und das mit Grund. Ihn heute zu verärgern, widersprach ihrem Konzept, und das bestand im wesentlichen darin, endlich herauszubringen, was sich seine berühmte Tante eigentlich dachte, und welche Ziele sie mit ihrem zweifelhaften Angebot verfolgte. Raffiniert mußte man dabei vorgehen, vorsichtig, wie eine Schlange. So schwieg Christa erst mal. Auch das half nichts. Er hatte sie am Handgelenk gepackt und zog sie einfach hoch.
»Und jetzt machen wir mal eine kleine Pause. Du und ich. Komm, ich zeig' dir was.«
Christa beherrschte sich mit Mühe. Die übliche Macho-Tour. Außer Kommandos und blöden Sprüchen fiel ihm nichts ein.
Sie ging trotzdem mit, am Speisesaal vorbei, wo gerade die eingeschlagenen Fenster erneuert wurden, durch die Brennesseln, die noch immer vor den Küchenfenstern wucherten – zehn Tage hatten sie noch, mein Gott, die Brennesseln waren ja nun wirklich das Geringste –, dann über
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