Sommer, Sonne, Ferienglück
die Treppe hinunter zum Ausgang. Sie ging? Sie folgte, machte bloß gute Miene zum bösen Spiel.
»Ich hab' sogar 'ne Krawatte. In der Hosentasche. Komme vom Gericht. Ich hatte einen der dicksten Bauunternehmer zu verteidigen. Absolut verrückt. Weißt du, was dem einfiel? Der Kerl kriegte 'nen Tobsuchtsanfall und wollte dem Vertreter der Gegenpartei eine knallen, tat's dann auch wirklich. Und dann war Pause. Ich hab' das Mandat zurückgegeben. Und jetzt hab 1 ich den Vormittag frei. Wie ist das – bei dem Wetter?!«
Sie waren inzwischen am Strand angelangt und hatten den Badesteg erreicht. Der müßte auch noch gestrichen werden … An einem der Pfähle war ein weißes Motorboot festgemacht, ein sehr elegantes Motorboot mit grünen Polstern. Einladend schaukelte es auf den Wellen. Sie spürte die Wärme des Stegs durch die dünnen Sohlen ihrer Sandalen dringen und machte die Augen schmal.
»Ist das deins?«
»Meins? Für was hältst du mich? Es liegt den ganzen Tag im Hafen, seit Monaten, vergammelt, der Motor rostet. Ich hab' mir die Ventile gestern angesehen, das Ding muß mal so richtig durchgepustet werden. Es gehört Tante Fiorella.«
Wem sonst? – Alles, was an Problemen, Besitz, Unterschriften, an Ärger und Hoffnungen mit dem Namen D'Alessio zusammenhing, es endete unweigerlich bei ihr.
»Na, wenn das so ist …« Christa ging auf das Motorboot zu und ließ sich von ihm auf den weichen Sitz hinunterhelfen. »Wenn das so ist, dann werden wir einmal klare Verhältnisse schaffen.«
»Einen ›Pinot grigio‹ hab ich auch eingepackt. Und 'nen richtigen Picknickkorb – guck mal!«
»Ich hab' schon gefrühstückt. Und Wein trink' ich doch nicht am Morgen.«
»Ich schon. Manchmal.«
»Ich aber nicht.«
Klare Verhältnisse schaffen, dachte sie, jawohl. Trotzdem – gib nicht immer kontra. In deiner Lage muß man mit den Wölfen heulen lernen – oder wie hatte Olga das formuliert: Schlau sein wie die Schlangen ist für uns angesagt!
Der schwere Motor heulte auf, das Boot zitterte, Michele löste die Leine, langsam glitten sie dem See entgegen. Sie aber breitete die Arme aus und lehnte den Oberkörper zurück.
»Ach, Michele«, sagte Christa, sagte die Schlange in ihr, »das war wirklich eine gute Idee. Ich war schon ganz verzweifelt, dieser ewige Streß, und da kamst du …«
»Na also!« schrie er, und seine blauen Augen lachten. »Dann wären wir uns ja mal wieder einig.«
Wieder mal … Er legte den Gashebel ganz nach vorne, und das Boot stieg aus dem Wasser, daß sie für eine schreckerfüllte Sekunde den Eindruck hatte, es würde nun ganz abheben und den Bergen des Trento zufliegen …
***
An diesem unvergleichlich schönen, frühen Junimorgen genoß auch Theo Schmidle den Gardasee, vielleicht nicht so bequem wie seine Tochter, die zur selben Zeit und befördert von den achtzig Pferdestärken eines Volvo-Pentax über die Bucht von Salo schoß, nein, Theo hatte nur seine Beine. Und die strampelten.
So ein Tretboot ist was Feines. Theo hatte es in der alten Garage beim Tennisplatz entdeckt. Ein Tretboot ist dazu noch äußerst praktisch, obwohl dieses hier nun wirklich mal geschmiert gehörte, so wie die Kette quietschte und stöhnte, in gewissem Sinne konnte man das Tretboot sogar als Jogging-Ersatz werten, bei diesem Wahnsinnstrubel kam er schließlich nicht mal dazu, die Laufschuhe anzuziehen, doch solange die Möwen flogen, der frische Seewind die heiße Stirn kühlte, solange er so glücklich war wie jetzt, würde er sich von ein paar Sorgen den Schneid nicht abkaufen lassen …
Alles in allem könnte Theo also wirklich zufrieden sein.
Wenn er allein auf dem Tretboot säße …
Das tat er aber nicht.
Theo trat für einen anderen mit. Der Passagier hieß Beviacqua, was etwa ›trink Wasser‹ bedeutet. Viel Gewicht hatte das Tretboot an Signor Beviacqua nicht mitzuschleppen. Selbst im Anzug wirkte er schmal wie eine Sardine. Dabei war er von Beruf Koch.
»Eine erstklassige Kraft«, hatte die Personalvermittlung in Brescia versichert.
Dieser Auskunft stand Theo, seit Bruno Beviacqua sich ihm im Baustellengetümmel vorgestellt hatte, etwas skeptisch gegenüber. Denn: Kann man die Zufriedenheit und das Wohlergehen der Gäste von einem dürren Koch abhängig machen? Umgekehrt: Wieso sollte es eigentlich nicht auch magere Köche geben, die ihr Metier verstanden?
Nun, man würde sehen …
»Woher sprechen Sie so gut deutsch, Herr Bevi … Bevi … Darf ich Bruno zu Ihnen
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