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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
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Schwanz.
    Vorsichtig, ganz vorsichtig streckte Theo das verletzte Bein, bewegte die Zehen, um sich zu versichern, daß es noch ging. Es ging, aber einfach so aufzustehen, Theo wagte es nicht.
    »Die Hose kaputt.« Giulietta stellte es sachlich in ihrem etwas sonderbaren Deutsch fest: »Richtig schön kaputt. Aber sonst sehe ich nix.«
    Die Überprüfung war möglich, Theos Bein lag frei.
    »Hinten vielleicht …«, stöhnte Theo.
    Da er sich in dieser Situation nicht nur hilflos, sondern auch albern vorkam, versuchte er aufzustehen. Und es gelang.
    Er bückte sich, um seine Wunden zu zählen. Viele fand er nicht. Einige blaue Punkte, ziemlich viel gerötete Haut, aber sonst?
    »Der beißt ja nicht. Und schon gar nicht ins Menschenfleisch. Da kneift er nur.«
    Theo nickte. Er sollte jetzt dankbar sein, zumindest gegenüber dem Schicksal, nicht gegenüber diesem Weib von Giulietta, wieso auch? Bei allem, was sie zum Aufbau der ›Villa‹ beigetragen haben mochte, sie schien über eine Seele aus Stein, Holz oder so was Ähnlichem zu verfügen. Ein Herz jedenfalls hatte sie nicht.
    Stand da und grinste.
    Oder doch? Was sagte sie da gerade?
    »Komm«, sagte sie, »komm, trink Schnaps!«
    ***
    An dieses ›Komm, trink Schnaps‹ sollte sich Theo in all den Jahren, die kommen würden, noch erinnern.
    Nicht etwa, weil es schon etwas befremdend klang, nein, weil er plötzlich lachen mußte und sie sofort in sein Lachen mit einstimmte.
    Nie im Leben aber hatte Theo eine Frau derart lachen hören, so mit vollem Herzen, aus Bauch oder Magen, mit allem, was Körper und Seele hergaben, während Lampo, dem dieses ganze Gebrüll wohl auf die Nerven ging, mit einem geradezu furchteinflößenden Wolfsheulen antwortete.
    Und da lachten sie natürlich noch mehr.
    Den Schnaps, den tranken sie auch. Es war Grappa, klar wie eine Bergquelle, selbstgebrannt, was sonst? Allerdings nicht auf dem ›Borgo Mirtillo‹, das wäre nun doch zu riskant gewesen. Für solche Aufgaben hatte man seine ›amici‹, denn schließlich, wer im Trentino, der noch ein bißchen auf Tradition hielt, meldete seinen Grappa schon diesen verdammten Schnüfflern von der dogana an? Ihn schwarz zu brennen war Ehrensache.
    »Salute, Signore!«
    »Ich heiße Theo.«
    »Salute, Theo!«
    Und sie lächelte, lächelte mit diesen unglaublich regelmäßigen, weißen, gesunden Zähnen.
    »So, und jetzt halten Sie mal still.«
    »Wenn ich schon Theo heiße, dann kann man mich auch duzen.«
    Daß sich hier am See alle, die sich sympathisch waren, duzten, diese Weisheit hatte er von seiner Tochter. Also Schluß mit ›Signore‹ und ›Signora‹, schließlich, die Zukunft der ›Villa‹ hing von ihr ab.
    Da konnte man gar nicht genug duzen.
    »Ach, Giulietta, hab' ich dir schon gesagt …«
    »Ruhe. Halt still.«
    Sie saßen am Kastanientisch in der Küche, diesem Riesending, daß eher für einen Fußballverein als für einen Bauernhof geschaffen schien.
    Aus seinem Rahmen, zwischen all den Sinnsprüchen und den alten Schmuckkacheln blickte Vittorio Caprara, Giuliettas verstorbener Mann, der Boccia-Champion, auf sie nieder.
    Ziemlich finster. Aber das hatte er auch im Leben getan, finster geblickt und die größten Verrücktheiten abgezogen, auch dies wußte Theo bereits, allerdings, der Anblick eines glatzköpfigen kleinen Mannes in Unterhosen, der die Beine von sich streckte, mußte für Vittorio im Rahmen eine ziemliche Zumutung bedeuten.
    »So«, sagte seine Witwe gerade, »das kitzelt. Das ist ›mercurio‹. Damit wird das desinfiziert. Man kann ja nie wissen, denn da hast du dir doch die Haut aufgeschürft.«
    Da? Eine Stelle an Theos Knie, nein, eine Stelle über Theos Knie, eigentlich schon ziemlich weit oben, sie färbte sich jetzt tief purpurrot: mercurio …
    Theo sah nicht einmal hin, und daß es ein bißchen brannte, was interessierte es ihn? »Weißt du, Giulietta, wie gesagt, wir haben da ein ziemliches Problem … Herrgott, hätte ich gedacht, daß ich dir solche Umstände mache – au! …« Das mercurio hatte nun doch eine ziemlich aufgeschürfte Stelle erwischt.
    »Wie gesagt, es handelt sich um vierundzwanzig oder sechsundzwanzig Gäste … Genau kann man das ja nie voraussagen. Vielleicht werden's auch ein paar mehr, verstehst du?«
    »Man könnte auch Puder drauftun.«
    »Hörst du mir überhaupt zu, Giulietta?«
    »Wie bitte?«
    Sie sah auf. Als sie aufsah, sah er zu ihr herab und wurde sich zum ersten Mal der Situation bewußt: Da kniete vor ihm

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