Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
nicht verloren hatte. Vielleicht war sein Puls nicht gleichmäßig, vielleicht funktionierte sein Verstand nicht ganz klar, aber er besaß seine Kontrolle noch.
Für Blanche drehte sich alles. Hätte er ihr jetzt eine Frage gestellt, irgendeine, sie hätte keine Antwort gewusst. Sie lehnte sich gegen die Wagentür und wartete darauf, dass ihr Gleichgewicht zurückkehrte. Sie hatte gewusst, dass der Kuss sie auslaugen würde. Sogar jetzt fühlte sie noch ihre Energie schwinden.
Er sah den Blick in ihren Augen, jenen sanften Blick, dem jeder Mann nur schwer widerstehen konnte. Sidney wandte sich ab. „Ich setze Sie am Studio ab.“
Während er um den Wagen auf seine Seite ging, ließ Blanche sich auf ihren Sitz fallen. Es im Gedächtnis abspeichern und es vergessen, dachte sie.
Sie versuchte es. Blanche bemühte sich so sehr zu vergessen, was Sidney sie hatte empfinden lassen, dass sie bis drei Uhr nachts arbeitete. Als sie sich endlich in ihr Apartment schleppte, hatte sie den Film von der Schule und dem Strand entwickelt, die Negative ausgesucht, die sie vergrößern wollte, und sie hatte von zweien Abzüge gemacht, die sie mit zu ihren besten Arbeiten zählte.
Jetzt hatte sie vier Stunden, um zu essen, zu packen und zu schlafen. Nachdem sie sich ein gewaltiges Sandwich hergerichtet hatte, holte sie einen Koffer hervor und warf die wichtigsten Sachen hinein. Benommen von Müdigkeit, spülte sie Brot, Fleisch und Käse mit einem großen Schluck Milch hinunter. Nichts davon fühlte sich in ihrem Magen besonders bekömmlich an, weshalb sie ihr halb gegessenes Abendessen auf dem Nachttischchen stehen ließ und sich wieder ans Packen machte.
Sie durchwühlte das oberste Fach ihres Schranks nach der Schachtel mit dem schlichten Pyjama im Herrenschnitt, den ihreMutter ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Eindeutig eines der wichtigsten Dinge. Der Pyjama war sexlos. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich darin auch sexlos fühlte. An diesem Nachmittag war sie nachhaltig daran erinnert worden, dass sie eine Frau war …
Sie wollte sich in Sidneys Nähe kein zweites Mal als Frau fühlen. Es war zu gefährlich, und sie vermied gefährliche Situationen. Da sie jedoch nicht der Typ war, der seine Femininität betonte, sollte das kein Problem sein.
Sagte sie sich wenigstens …
Wenn sie beide erst einmal mit ihrem Auftrag begonnen hatten, würden sie so beschäftigt sein, dass sie es nicht einmal bemerken würden, wenn der andere zwei Köpfe und vier Daumen hätte.
Sagte sie sich wenigstens …
Was an diesem Nachmittag geschehen war, war lediglich einer jener flüchtigen Momente gewesen, denen ein Fotograf manchmal begegnete, wenn der Augenblick das Handeln bestimmte. Es würde nie wieder geschehen, weil die Umstände nie wieder die gleichen sein würden.
Sagte sie sich wenigstens …
Und dann hatte sie genug an Sidney Colby gedacht. Es war fast vier Uhr, und die nächsten drei Stunden gehörten ganz ihr, die letzten, die ihr für lange Zeit bleiben würden. Blanche wollte sie auf die Art verbringen, die ihr am liebsten war. Schlafend. Sie zog sich aus, ließ ihre Kleider auf einen Haufen fallen, kroch ins Bett und vergaß, das Licht auszumachen.
Auf der anderen Seite der Stadt lag Sidney in der Dunkelheit. Er hatte noch nicht geschlafen, obwohl er schon vor Stunden gepackt hatte. Seine Tasche und seine Ausrüstung waren säuberlich neben der Tür aufgebaut. Er war gut organisiert, vorbereitet und hellwach.
Er hatte schon früher Schlaf versäumt. Dieser Umstand beunruhigte ihn nicht, der Grund dafür aber schon. Blanche Mitchell.Obwohl es ihm im Lauf des Abends gelungen war, sie auf die Seite zu schieben, in den Hintergrund, in einen Winkel seines Gehirns zu verbannen, hatte er sie nicht ganz aus seinem Schädel hinausbekommen.
Er konnte Punkt für Punkt alles, was an diesem Nachmittag zwischen ihnen passiert war, analysieren, aber das hätte einen wesentlichen Punkt nicht geändert. Er war verletzbar gewesen. Vielleicht nur für einen Moment, einen Herzschlag, aber er war verletzbar gewesen. Und das konnte er sich nicht leisten. Das würde er auch kein zweites Mal zulassen.
Blanche Mitchell war eine jener Komplikationen, die sie angeblich vermeiden wollte. Er dagegen war daran gewöhnt. Er hatte nie irgendwelche Probleme gehabt, mit Komplikationen fertig zu werden. Blanche würde da keine Ausnahme machen.
Sagte er sich wenigstens …
In den nächsten drei Monaten waren sie beide tief in ein Unternehmen
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