Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
werden.“
„Glauben Sie, dass sich durch Sorgen irgendetwas ändert?“ Blanche vergaß ihren Plan, Kontakt herzustellen, vergaß den Umstand, dass sie Sidney zu irgendeinem Kompromiss hatte bewegen wollen. Er hatte mehr gesehen als sie, von der Welt, vom Leben. Sie musste zugeben, dass er mehr gesehen hatte, als sie sehen wollte. Aber was empfand er dabei?
„Sich seiner bewusst zu sein, kann die Dinge ändern. Auf sich selbst aufzupassen, ist ein Vorzug, den einige von uns nicht haben.“
Einige von uns. Die Formulierung fiel ihr auf, aber sie entschied, nicht darauf einzugehen. Wenn er Narben hatte, war es sein gutes Recht, sie bedeckt zu halten, bis sie etwas mehr verblasst waren.
„Jeder macht sich von Zeit zu Zeit Sorgen“, erklärte sie. „Ich bin nur nicht sehr gut darin. Ich glaube, das kommt von meinen Eltern. Sie sind …“ Sie verstummte und lachte. Jetzt fiel ihm auf, dass er sie seit Tagen nicht lachen gehört hatte und dass es ihm gefehlt hatte. „Ich glaube, man könnte sie Bohemiens nennen. Wir haben in einem kleinen Haus in Carmel gelebt, das sich ständig in unterschiedlichen Stadien des Verfalls befunden hat. Mein Vater kam gelegentlich auf die Idee, eine Wand herauszunehmen oder ein Fenster einzusetzen, und dann mitten in dem Projekt hatte er eine Inspiration und kehrte an seine Leinwand zurück und ließ alles andere liegen und stehen.“
Sie lehnte sich zurück, war sich nicht länger dessen bewusst, dass sie das Sprechen und Sidney das Zuhören übernommen hatte. „Meine Mutter kochte gern. Das Problem dabei war, dass man nie wusste, in welcher Stimmung sie sich befand. Den einen Tag gab es gegrillte Klapperschlange, den nächsten Cheeseburger.Und wenn man es am wenigsten erwartete, gab es Gänsehalseintopf.“
„Gänsehalseintopf?“
„Ich habe oft bei den Nachbarn gegessen.“ Die Erinnerung brachte ihren Appetit zurück. Sie holte zwei Schokoriegel hervor und bot Sidney einen an. „Was ist mit Ihren Eltern?“
Er wickelte gedankenverloren den Riegel aus, während er sein Tempo dem Wagen der State Police in der benachbarten Spur anpasste. „Sie haben sich in Florida zur Ruhe gesetzt. Mein Vater angelt, und meine Mutter betreibt einen Heimwerkerladen. Nicht so farbenfroh wie Ihre Eltern, fürchte ich.“
„Farbenfroh.“ Sie dachte darüber nach und stimmte zu. „Mir war nie bewusst, dass sie ungewöhnlich waren, bis ich auf das College kam und erkannte, dass die meisten Kinder erwachsene und vernünftige Eltern hatten. Mir war auch nie klar, wie sehr sie mich beeinflusst hatten, bis Rob mich auf ein paar Dinge aufmerksam machte, zum Beispiel darauf, dass die meisten Menschen es vorziehen, abends um sechs zu essen, anstatt um zehn herum Popcorn oder Erdnussbutter zu organisieren.“
„Rob?“
Sie warf ihm einen schnellen Blick zu und starrte dann geradeaus. Sidney hörte zu genau zu, fand sie. Dadurch sagte man leicht mehr, als man eigentlich wollte. „Mein Exmann.“ Sie wusste, dass sie das ,Ex’ nicht mehr als Makel betrachten sollte. Heutzutage war es beinahe schon ein Statussymbol. Für Blanche war es ein Symbol, dass sie nicht alles getan hatte, das notwendig gewesen war, um ein Versprechen zu erfüllen.
„Schmerzt es noch?“ Er hatte es gefragt, bevor er sich zurückhalten konnte. Sie brachte ihn dazu, Trost anbieten zu wollen, nachdem er sich darauf trainiert hatte, sich nicht in anderer Leute Leben, anderer Leute Probleme verwickeln zu lassen.
„Nein, das ist schon Jahre her.“ Nach einem knappen Schulterzucken knabberte sie an ihrem Schokoriegel. Schmerzt es noch? dachte sie. Nein, nicht schmerzen, aber sie würde in diesemPunkt wohl immer ein wenig empfindlich bleiben. „Es tut mir nur Leid, dass es nicht geklappt hat.“
„Bedauern ist eine noch größere Zeitverschwendung als Sorgen.“
„Vielleicht. Sie waren auch einmal verheiratet.“
„Das stimmt.“ Sein Ton hätte nicht abweisender sein können.
„Tabuzone?“
„Ich halte nichts davon, die Vergangenheit wiederzukäuen.“
Diese Wunde war mit Narbenhaut bedeckt. Blanche fragte sich, ob es Sidney sehr störte, oder ob er es wirklich weggesteckt hatte. In jedem Fall ging es sie weder etwas, noch würde es das Gespräch in Gang halten.
„Wann haben Sie beschlossen, Fotograf zu werden?“ Das war ein sicheres Thema, fand sie. Da sollte es eigentlich keine wunden Punkte geben.
„Als ich fünf war und die neue Kamera meines Vaters in die Hände bekam. Nachdem er den Film entwickeln
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