Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
Steg merkwürdigerweise überhaupt nicht fehl am Platz wirkten. Der Vater stand mit sehr aufrechter Haltung leicht hinter ihr.
„Er hat einen Arm beim ersten Luftangriff auf Deutschland verloren“, erklärte George. „1942 – er war Offizier in der Air Force. Er sollte eigentlich auf einem Kommandoposten weit weg von allem sitzen, aber dann gab es einen Personalnotstand,und er ist mit einem Jagdgeschwader losgeflogen.“ George betrachtete das Foto stumm. „Das hätte nicht passieren sollen.“
„Niemand sollte je ein Körperteil verlieren“, sagte Claire.
„Er wurde mit dem Purple Heart ausgezeichnet und erhielt später noch die Medal of Honor.“
„Sie müssen sehr stolz auf ihn gewesen sein.“
„Ich habe ihn nie wirklich gekannt“, gestand George.
Sie hörte das Bedauern in seiner Stimme. „Haben Sie mir nicht erzählt, dass er Sie und Ihren Bruder zu den Spielen der Yankees mitgenommen hat? Ich wette, Sie haben ihn ganz gut gekannt.“
„Auf einige Arten schon, ja. Ich könnte Ihnen viel über ihn erzählen. Ich könnte Ihnen berichten, wie er seine Ahnen bis zu den normannischen Eroberern zurückverfolgt hat. Und dass die ersten Bellamys im Auftrag von König Jakob in die Neue Welt kamen. Ich könnte Ihnen auch erzählen, dass er in Yale studiert hat und von seinen beiden Söhnen das Gleiche erwartete. Ich könnte Ihnen sagen, er hat eine Erbin geheiratet, die noch mehr Geld hatte als er. Aber sein Herz habe ich nie wirklich gekannt.“
„Also wissen Sie jetzt, was Ihre Kinder und Enkelkinder von Ihnen erfahren müssen“, sagte Claire.
Er setzte sich wieder, nahm die Brille ab und putzte die Gläser. „Angenommen, ich zeige ihnen, wer ich wirklich bin, und sie mögen mich dann nicht mehr?“
„Ach, George! Es ist nicht Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie Sie mögen. Es ist Ihre Aufgabe, zu sein, wer Sie sind.“
„Sogar wenn das ein schrulliger alter Mistkerl ist?“
„Sogar dann“, bestätigte sie. „Aber darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen, denn Sie sind weder schrullig noch ein Mistkerl.“
„Aber alt.“ Er kicherte und holte zwei kleine Kästchen heraus. In einem befanden sich ein paar angelaufene Münzen und ein altmodischer Silberohrring in der Form eines Gänseblümchens. Er schaute den Ohrring ein paar Sekunden lang an, dannsteckte er ihn weg. Das andere Kästchen hatte die unverkennbare türkisblaue Farbe von Tiffany. Er öffnete es und zeigte ihr einen Diamantring.
Claire fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Das ist der hübscheste Ring, den ich je gesehen habe! Gehörte er Ihrer Frau?“
„Nein. Ich habe nie die Gelegenheit erhalten, ihn der Frau zu geben, für die ich ihn gekauft habe. Das war 1956.“ Er reichte ihr ein ledergebundenes Zertifikat. Der Ring war signiert und nummeriert, und Farbe und Reinheit waren zertifiziert worden.
„Wow!“, sagte Claire. „Ich hoffe, er ist versichert.“
Er betrachtete den Ring, der auf seinem makellosen, cremefarbenen Seidenbett ruhte. Vielleicht würde er es ihr eines Tages erzählen. „Er ist nie getragen worden“, sagte er und legte ihn dann zu dem anderen Kästchen.
Sie brannte darauf, mehr zu erfahren, wollte ihn aber nicht bedrängen. Sie nahm ein weiteres gerahmtes Bild und wickelte es aus dem Seidenpapier. „Wer sind diese Leute?“, fragte sie.
„Das ist auf der Hochzeit meines jüngsten Sohnes aufgenommen worden“, erklärte George. „Ich habe es mitgebracht, weil wir an dem Tag alle so glücklich waren.“
Es war ein fröhliches Foto, auf dem jeder hervorragend gekleidet war und lächelte, einige lachten sogar. Sie konzentrierte sich auf den jungen, mageren Ross, dessen breites Grinsen von diesen unwiderstehlichen Grübchen eingerahmt wurde, und merkte, dass sie sich wünschte, diesen Jungen gekannt zu haben.
„Im Hintergrund ist die französische Riviera“, schwärmte George. „Louis und Lola haben in Cap d’Antibes geheiratet. Ach, was für ein herrlicher Tag das war!“
„Sie müssen mir erzählen, wer wer ist“, bat Claire ihn. „Ihre Frau ist auf diesem Bild so schön. Wann ist sie gestorben?“
„Das ist jetzt zehn Jahre her.“ Er hielt einen Moment inne. „Es gab … einen Unfall.“
Das hatte Claire nicht erwartet. „Das tut mir leid.“
Er betrachtete die hochgewachsene, elegante Frau. „Eine gefährliche Straße und ein großes Motorrad haben dabei eine Rolle gespielt. Und ein italienischer Liebhaber – hatte ich das erwähnt?“
„Äh,
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