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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Sein eigener Bruder Charles wurde ebenfalls weggezogen, verschwand, wurde von ihm separiert, durfte sich ihm nicht nähern.
    Vage Bilder schwebten an George vorbei. Er kämpfte, die echten Dinge von den Albträumen zu trennen. Er dachte, er sähe Männer in vulkanisierten Mänteln ankommen und alles zusperren – den Speisesaal, die Hütten, die Sportanlagen, den Pool, alles.
    Offizielle Schilder von der Gesundheitsbehörde wurden überall aufgehängt: Unter Quarantäne gestellt vom Gesundheitsamt Ulster County.
    George wurde in Decken eingewickelt, Berge an Decken, obwohl sein Kopf sich anfühlte, als stünde er in Flammen.
    Dann wurde er in eine mit Eiswasser gefüllte Zinkbadewanne gesteckt.
    Er sah weiße Lichter. Nackte Glühbirnen starrten auf ihn herunter wie die Augen von grausamen Monstern. Sein dünner, blutleerer Körper gehörte nicht länger zu ihm.
    Er war zu schwach, um zu schreien. Aber seine Seele schrie. Sein Herz schrie. Doch niemand hörte ihn. Da waren Geräusche in seinem Kopf, Klänge und Stimmen. Er wusste nicht, was wirklich war und was im Comicheft.
    Um ihn herum nur weißes Licht. Weiße Laken im Krankenhauszimmer, weiße Vorhänge an den Fenstern, ein langer weißer Flur ohne Ende.
    Sein Vater. Eine besorgte Miene, die untere Hälfte seines Gesichts von einer Chirurgenmaske bedeckt, der linke Ärmel hochgesteckt, wo einst sein Arm gewesen war. Warum? Warum? Warum war sein Vater hier?
    Stimmen in dem hallenden Flur. Hoch ansteckend … Normalerweise durch verunreinigtes Essen übertragen … Sie sprachen, als wenn er sie nicht hören konnte. Vielleicht konnte er das auch nicht. Oder vielleicht war das hier auch nur wieder was aus dem Comicheft in seinem Kopf. Aber die Stimmen. Er erkannte sie. Mutter, weinend – lange, verzweifelte Schluchzer. Vater, hustend. Nein, nicht hustend. Er schluchzte auch. George hatte seinen Vater noch nie zuvor weinen gehört.
    Und der Arzt hatte das gefürchtete Wort noch gar nicht ausgesprochen – die wahre Diagnose. Es war, als wüssten seine Eltern es bereits. Ein Schrei entrang sich seiner Mutter wie das schmerzhafte Heulen eines verwundeten Tieres.
    George befahl den klingenden Glocken in seinem Kopf, still zu sein, damit er zuhören konnte. Er konzentrierte sich sehr auf das, was der Doktor sagte. So machte das ein guter Reporter. Er hörte zu. Er konzentrierte sich. Er verpasste nichts.
    „Ich fürchte …“ Der Arzt – Dr. Bancroft war sein Name – räusperte sich und setzte noch einmal neu an. „Mr und Mrs Bellamy, es tut mir leid. Ich fürchte, ich habe die schlimmstmöglichen Nachrichten für Sie“, sagte er. Es entstand eine Pause, in der man nur das leise Weinen von Georges Eltern hörte.
    „Es ist Polio.“

10. KAPITEL
    G eorge hat eine Liste“, sagte Claire zu Ross. „Wussten Sie das?“ Sie saßen auf der Veranda und warteten darauf, dass George von seinem Mittagsschlaf aufwachte. Claire hatte gerade seine Post aus dem Hauptgebäude abgeholt. George hatte Freunde auf der ganzen Welt und bereits einen ganzen Stapel Karten und Briefe erhalten. Heute war ein Tag, an dem der Wind nur eine leichte Brise war und der Sonnenschein dem Flieder neue Blüten entlockte und die Wildblumen überredete, sich zu öffnen. George hatte die meiste Zeit des Tages geschlafen, und Ross hatte telefoniert – mit den verschiedenen Familienmitgliedern, wie sie annahm.
    Claire saß auf der gemütlichen Schaukel und lauschte dem leisen Klirren der Ketten, als sie vor und zurück schaukelte. Ross saß in einem Korbstuhl. Trotz der entspannenden Umgebung wirkte er angespannt und unruhig.
    „Was für eine Liste?“, fragte er.
    „Ich denke, man könnte es eine Liste der Dinge nennen, die er in der Zeit, die ihm noch bleibt, gerne erledigen würde.“ Sie sah, wie Ross’ Schultern sich versteiften, und es tat ihr weh, ihn anzusehen. Er war immer noch so weit davon entfernt, die Situation zu akzeptieren. Sie wünschte, ihn mit einer sanften Berührung oder einem liebevollen Wort trösten zu können, aber sie spürte, dass er das nicht von ihr wollte. Nicht jetzt und vielleicht nie.
    „So wie seinen lange verlorenen Bruder zu finden“, bemerkte Ross.
    „Ja, das steht auch auf der Liste.“
    „Heute?“
    „Warten wir ab, wie er sich fühlt, wenn er aufgewacht ist.“
    Als er ihr von seinen Kindheitssommern im Camp Kioga erzählt hatte, hatte sie die beiden Jungs vor sich gesehen, die gemeinsam die Welt erkundeten und nicht einmal ahnten, dass sie eines Tages

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