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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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in den Zeitungen. Das war der Moment, in dem er wusste, was er mit seinem Leben anstellen sollte: Er sollte für Zeitungen und Zeitschriften arbeiten, so wie Mr McClatchy es tat. Jemand musste der Welt erzählen, was los war. Jemand musste die Geschichten erzählen, die sich hinter den Gefallenenzahlen verbargen. Wenn mehr Menschen verstünden, welchen Preis sie wirklich für den Krieg bezahlen mussten, würden sie vielleicht einen Weg finden, ihn zu beenden.
    Jane ging mit ihrer Mutter fort. Ihr Vater würde da bleiben und Camp Kioga weiterleiten, aber ihre Mutter konnte es nicht mehr ertragen, hier zu sein, wo an jeder Ecke Erinnerungen an ihren verlorenen Sohn lauerten. Jane kam, um sich von den Bellamy-Jungen zu verabschieden, und sagte, es wäre noch Zeit für eine letzte Expedition durch den Wald zu ihrem besonderen Platz am Watch Hill.
    George war übellaunig und irgendwie neben der Spur. Er hatte noch die gleichen Kopfschmerzen, die seit Tagen durch seinen Kopf hämmerten und einfach nicht weggehen wollten, egal, welches Kopfschmerzpulver seine Mutter ihm auch gab. Er fühlte sich auch unglaublich müde, aber es war ein so schöner Tag. Er wollte ihn auf keinen Fall drinnen verbringen.
    Er wusste nicht recht, wie er sich in Janes Gegenwart verhaltensollte. Er hatte das Gefühl, er müsse sie anders behandeln, weil sie anders war. Sie kam ihm ernster vor, vielleicht ein wenig stiller, was ungewöhnlich war, denn normalerweise hatte sie immer nur so vor guter Laune gesprüht.
    Außerdem stimmte etwas mit Georges Sehvermögen nicht. Die ganze Landschaft floss vor seinen Augen zusammen wie ein Aquarellbild. Der See verschwamm mit den Wäldern. Der Himmel wurde eins mit dem langen Band der Straße. Alles drehte sich wie ein Windrädchen. Die Stimmen der anderen klangen hohl, wie Echos, die durch ein Rohr hallten.
    „Meine Mutter will nicht mehr helfen, das Camp zu führen“, erzählte Jane ihnen. „Sie hat meinem Vater gesagt, dass sie das zu traurig macht. Pa und ich hingegen lieben Camp Kioga. Mein Großvater hat es errichtet, und ich will, dass es eines Tages mir gehört. Ich werde alles daransetzen, dass es so kommt.“
    Sie klang fest entschlossen, als spiele sie eine Rolle in einem der Melodramen, die ab und zu abends im Camp aufgeführt wurden.
    Ich sollte ihr zu ihrer Loyalität und ihrer stolzen Hingabe gratulieren, dachte George. Die Worte schwirrten in seinem Kopf herum. Er musste irgendein Geräusch von sich gegeben haben, denn die anderen drehten sich um und starrten ihn an. Ihre Gesichter weiteten sich und zogen sich zusammen wie durch einen Zerrspiegel auf der Kirmes betrachtet. Ihre Stimmen klangen auch ganz komisch, wie das Victrola, wenn man es wieder aufziehen musste.
    Und obwohl George Jane sagen wollte, dass sie tapfer und stark war und er sie bewunderte, kam etwas anderes aus seinem Mund. Er fiel auf die Knie, als das Erbrochene mit unglaublicher Macht aus ihm herausschoss.
    Er war kaum noch genügend bei Bewusstsein, um sich peinlich berührt zu fühlen.
    Er verlor jegliches Zeitgefühl und vergaß, wo er war. Jane schrie etwas, und Charles stürmte den Hügel hinunter. Dannhockte Jane sich neben ihn und versuchte, ihm Wasser aus ihrer runden, flachen Feldflasche einzuflößen. George schaffte es nicht, die rostig schmeckende Flüssigkeit zu schlucken. Er konnte kaum den Mund öffnen. Er sah nur winzige Lichtflecken so groß wie Nadelspitzen. Er spürte, wie das Wasser über seine Wange lief, konnte Jane weinen hören und wollte ihr sagen, dass alles gut war, aber das wäre eine Lüge. Nichts war gut. Irgendetwas lief fürchterlich schief, und er hatte genauso viel Angst wie sie.
    Eine Ewigkeit verging. Ein Leben. Vielleicht schlief er. Vielleicht starb er. Nein, er schlief, denn er bemerkte einen Schatten, der über Jane fiel, eine Sonnenfinsternis, die sie in totale Dunkelheit hüllte und im Ganzen verschluckte.
    Hilfe . Er konnte es nicht sagen, aber er dachte es. Jetzt brauchte er Superman, nicht Clark Kent.
    Drohende Silhouetten von Fremden erhoben sich um George. Jemand hob ihn auf. Vielleicht wurde er von Superman in Sicherheit gebracht.
    Aber er war nicht in Sicherheit. Alles um ihn herum verschmolz und fiel auseinander. Er hatte nur verschwommene Eindrücke und konnte nicht sagen, was echt war und was nur in seinem Kopf stattfand. Er spürte, dass Jane Gordon von ihm weggezogen wurde, festgehalten, in sichere Entfernung gebracht. Sie wurde kleiner und kleiner und … verschwand.

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