Sommer unter dem Maulbeerbaum
Geschick. Was, meinst du, war seine Strategie bei dieser Farm?«
»Sie millionenschwer versichern zu lassen und dann abzubrennen?«
Carol überhörte das. »Wie wird sie jemals in Frieden dort leben können? Die Reporter werden in ihrem Vorgarten ihre Zelte aufschlagen. Sie wird ...« Sie verstummte und sah ihren Mann eindringlich an, als erwarte sie, dass er sich den Rest ihres Plans selbst zusammenreimte.
Phillip war zu müde, um Ratespielchen zu spielen. »Was?«, wollte er wissen.
An dieser Stelle enthüllte Carol ihren Vorschlag, Lillians Aussehen und sogar ihren Namen zu verändern.
Als Phillip jetzt aus dem Auto stieg und zusah, wie Lillian - nein, Bailey, korrigierte er sich - auf das hässliche, alte Haus blickte, musste er zugeben, dass sie tatsächlich wie ein anderer Mensch aussah. Er erinnerte sich an den Tag, als James ein Buch auf seinen Schreibtisch geknallt und gesagt hatte: »Ich kann mich nicht konzentrieren. Lil macht wieder eine von diesen verdammten Diäten.« Dann hatte er seiner Sekretärin zugebrüllt, sie solle in sein Büro kommen
- eine Gegensprechanlage kam für James Manville nicht in Frage. Er wies die Sekretärin an, Lillian je ein Pfund aller Pralinensorten zu schicken, die der nächstgelegene Süßwarenladen vorrätig hatte. »Das müsste funktionieren«, hatte er lächelnd gesagt. »Jetzt wollen wir wieder an die Arbeit gehen.«
Ohne die Sabotageakte ihres Mannes hatte Lillian in nur wenigen Wochen sehr viel an Gewicht verloren. Als Phillip seiner Frau erzählte, was James angestellt hatte, um Lillian von ihren Diäten abzuhalten, hatte sie erwidert: »Das ist also das Geheimnis des richtigen Abnehmens.« Dann hatte sie die Hand auf die Hüfte gelegt. »Ich werde daran denken, wenn du das nächste Mal in ein Flugzeug steigst.«
Nach dem Gewichtsverlust und der Entfernung ihrer riesigen Nase musste Phillip zugeben, dass sie toll aussah. Schlanke Kurven waren an die Stelle ihrer Fettpölsterchen getreten, und mit der neuen Nase kamen ihre schönen Augen und die vollen Lippen erst richtig zur Geltung. Eines Morgens beim Frühstück hatte sich Carol mit einem Messer in der Hand zu ihm herübergebeugt und geflüstert: »Wenn du sie weiter so anschaust, dann ramme ich dir das hier ...«
Doch Phillip fand wirklich, dass Bailey gut aussah. »Glauben Sie, jemand wird mich wiedererkennen?«, war Lillians erste Frage gewesen, als die Verbände herunterkamen.
»Niemand«, hatten ihr der Arzt, Carol und Phillip einstimmig versichert. Alle waren sie bemüht, nicht zu erwähnen, wie viel besser sie jetzt aussah, denn damit hätten sie ja zugegeben, wie es vorher um sie bestellt gewesen war.
Jetzt stieg Phillip aus dem Wagen und machte dem Mann in dem Auto hinter ihnen ein Zeichen, er solle die Koffer aus dem Kofferraum holen und ins Haus tragen. Er hatte dafür gesorgt, dass zwei Autos am Flughafen auf sie warteten: der Toyota, den er für
Lillian gekauft hatte, und ein schwarzer Sedan vom Mietwagenservice am Ort, der ihnen hinterherfahren und Phillip zurück zum Flughafen bringen sollte.
Auf dem Flug zum Dulles Airport im District of Columbia hatte Lillian den Kopf gegen den Sitz gelehnt und die Augen geschlossen. Wenn Phillip etwas zu ihr gesagt hatte, hatte sie nur genickt. Er vermutete, dass sie nicht mit ihm sprach, weil er den Job bei Atlanta und Ray angenommen hatte. Er hätte ihr gern den Grund dafür genannt, aber je weniger sie wusste, desto besser. Wenn sie schon nicht selbst für sich kämpfte, dann würde er es für sie tun. Und der einzige Weg, das zu tun, der ihm einfiel, war aus einer Insiderposition heraus.
Drei Stunden hatte die Fahrt vom Flugplatz zu dem winzigen Bergstädtchen Calburn, in dem die Farm lag, gedauert. Während dieser Zeit hatte Lillian ihren Ärger heruntergeschluckt und ihn über die Stadt und das Haus ausgefragt.
Zum Leidwesen Lillians konnte Phillip ihr nur wahrheitsgemäß versichern, dass er zwar zwanzig Jahre lang James Manvilles Freund gewesen war, aber kein bisschen über seine Kindheit wusste. Er war sich wirklich nicht einmal sicher, ob die Farm überhaupt etwas mit James’ Vergangenheit zu tun hatte.
»Wie kann Jimmy nur mit Menschen wie Atlanta und Ray verwandt sein?«, hatte sie gefragt. »Das verstehe ich einfach nicht.«
Phillip war versucht zu erwidern: »Das kommt daher, weil Sie nie gesehen haben, wie James Geschäfte machte. Sonst wüssten Sie, dass er ihnen ähnlicher war, als Sie es sich vorstellen können.« Doch das sagte
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