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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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gefallen. Jimmy hatte immer gesagt, je niedergeschlagener ich sei, desto komischer sei ich. Wenn das stimmte, dann hätte ich am Tag seiner Beerdigung ein Bühnenengagement bekommen können.
    »Lillian«, sagte Phillip, und als er erneut nach meiner Hand greifen wollte, zog ich sie schon vorher weg. »Haben Sie sich in letzter Zeit einmal angesehen?«
    »Ich ...«, begann ich in der Absicht, eine sarkastische Bemerkung zu machen, doch dann fiel mein Blick auf den Spiegel über dem Frisiertisch im Gästezimmer von Phillips Haus. Mir war natürlich aufgefallen, dass ich an Gewicht verloren hatte. Wochenlang nichts zu essen, hat nun mal diesen Effekt. Doch ich hatte nicht bemerkt, wie viel ich abgenommen hatte. Mein Doppelkinn war verschwunden. Ich schien plötzlich Wangenknochen zu haben.
    Ich blickte wieder auf Phillip. »Erstaunlich, nicht wahr, wenn man all diese Diäten bedenkt, die Jimmy mir bezahlt hat - er brauchte nur zu sterben und Bingo! Ich bin endlich schlank.«
    Wieder legte Phillip die Stirn in Falten. »Lillian, ich habe ein Gespräch mit Ihnen bis jetzt hinausgezögert. Ich habe mich bemüht, Ihnen etwas Zeit zu gegeben, um mit Jimmys Tod und seinem Testament zu Rande zu kommen.«
    Er setzte zu einer weiteren Gardinenpredigt über meine Unbedachtheit an, weder ihm noch Jimmy zu sagen, dass ich bei unserer Hochzeit erst siebzehn war. »Er hätte Ihnen eine große Hochzeitsfeier ausgerichtet. Das hätte ihm viel Freude gemacht«, hatte Phillip an dem Tag gesagt, nachdem er es herausfand. »Es wäre so viel schöner gewesen als durchzubrennen.«
    Doch diese Leier hatte ich schon einmal gehört -ich wollte sie nicht noch ein zweites Mal über mich ergehen lassen, daher unterbrach ich ihn. »Sie wollen, dass ich verschwinde?«
    »Eigentlich war es ja Carols Idee. Sie sagte, Ihr restliches Leben werde, so wie die Dinge jetzt liegen, eine einzige, lange Pressekonferenz sein. Die Leute werden Sie bis in alle Ewigkeit bestürmen, damit Sie ihnen von Ihrem Leben mit Jimmy erzählen. Es sei denn ...«
    »Es sei denn, was?«, wollte ich wissen.
    Phillips Gesicht hellte sich auf, und für einen Augenblick sah ich den »kleinen Fuchs«, für den Jimmy den Mann immer gehalten hatte. »Erinnern Sie sich, als ich Ihnen sagte, ich hätte versucht, Jimmy die jetzige Fassung seines Testaments auszureden?« Er wartete meine Antwort gar nicht erst ab. »Ich konnte ihn dazu überreden, das Farmhaus nicht im Testament aufzuführen. Ich erklärte ihm, wenn er wirklich solche Angst vor dem hätte, was seine Schwester tun würde, dann würde sie vermutlich auch die Farm haben wollen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich das Haus noch nicht zu Gesicht bekommen und dachte, es wäre ...«
    »Wäre was?«, fragte ich.
    »Wertvoll«, antwortete er leise und blickte für einen Moment auf den Boden, dann wieder zu mir. »Hören Sie, Lillian, ich weiß, das Farmhaus stellt nicht viel dar, aber es muss James etwas bedeutet haben, sonst hätte er es nicht all die Jahre behalten.«
    »Warum hat er es denn überhaupt gekauft?«
    »Das ist es ja. Er hat es gar nicht gekauft. Ich glaube, es hat ihm immer gehört.«
    »Aber er muss es gekauft haben«, wandte ich verwirrt ein. »Niemand gibt eine Immobilie so einfach her, jedenfalls nicht, wenn er noch lebt.« Da fing ich an zu begreifen. »Sie meinen, Jimmy könnte die Farm geerbt haben?«
    Zum ersten Mal verspürte ich Interesse in mir aufkeimen. Alle drei, Atlanta, Ray und Jimmy, taten immer so geheimnisvoll, wenn es um ihre Kindheit ging. Es war zum Verrücktwerden. Wenn er dazu befragt wurde, wich Ray aus und wechselte das Thema. Atlanta und Jimmy erzählten einem faustdicke Lügen. An einem Tag behaupteten sie, sie wären in South Dakota geboren, am nächsten war es Louisiana. Ich weiß ganz genau, dass Jimmy mir vier verschiedene Namen für seine Mutter genannt hat. Ich hatte heimlich alle sechs Biografien gelesen, die über ihn auf dem Markt waren. Doch die Autoren waren auch nicht erfolgreicher dabei gewesen, etwas über die ersten sechzehn Jahre von James Manvilles Leben herauszufinden.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Phillip, »aber ich weiß genau, dass James das Haus nicht gekauft hat, seit wir uns kennen.«
    Bei dieser Bemerkung konnte ich nur noch blinzeln. Jimmy und Phillip waren von jeher zusammen gewesen.
    »Als ich erwähnte, dass Atlanta und Ray versuchen könnten, Ihnen die Farm wegzunehmen, da wurde James ganz blass, so als hätte er vor etwas Angst.«
    »Jimmy und Angst?«,

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