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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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Jahren wird das tote Vieh abgeholt und als Schlachtabfall entsorgt, früher hat jeder Bauer es im Wald irgendwo vergraben. An einer Stelle ist so ein selber gebasteltes Kreuz gestanden, das hat einmal die Anna hingestellt, weil ihre Lieblingskuh Ludmilla auch dort vergraben worden ist. Die Manu ist der Pfarrer und ich der Ministrant gewesen, und sie hat lauter Blödsinn geredet, mit so einer feierlichen Stimme, und dann haben wir beide einen Lachkrampf gehabt.
    Auf einmal hat die Manu gesagt: Komm, lass uns graben, schauen wir nach, wie viel von den Kühen noch da ist, ich wollte immer schon mal ein Kuhgerippe sehen. Wir haben also von der Hütte zwei Schaufeln geholt und haben angefangen da zu graben und haben nicht gesehen, dass der Vater mit der Sense durch den Wald zu uns raufkommt, weil er bei der Hütte mähen wollte. Wie er uns so graben
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gesehen hat, ist er zu uns gelaufen und hat uns angeschrien, was uns denn einfallt, und hat uns verjagt. Fast wär er mit der Sense auf uns losgegangen, so wild ist er gewesen. Er hat dann den ganzen Tag nichts mit uns geredet, sondern nur gemäht wie so ein Verrückter, nicht einmal gegessen hat er mit uns. Wir waren froh, wie er weg gewesen ist, und er ist dann die ganze Woche Gott sei Dank nicht mehr gekommen.
    Wir haben Indianer gespielt und uns von oben bis unten mit Dreck beschmiert und uns dann nackt in den Brunnen gesetzt, aber das wäre fast nicht mehr runtergegangen. Einmal haben wir ein Kalbl auf das Plumpsklo gesetzt. Wir haben Radio gehört, das ist so ein kleines mit Batterien gewesen, wir haben sogar Ö3 reingekriegt, da sind wir ganz glücklich gewesen. Die Lieder »Skandal im Sperrbezirk« von der Spider Murphy Gang und »Ein bisschen Frieden« von der Nicole haben sie da oft gespielt, und wir haben sie laut mitgesungen.
    Jede Nacht habe ich der Manu vorlesen müssen, aus den Irrfahrten des Odysseus, nein, nicht das Original, so ein Jugendbuch ist das. Wir haben das nachgespielt, das mit dem einäugigen Zyklop, wie ihn der Odysseus überlistet, damit er und seine Männer aus der Höhle flüchten können. Ich habe probiert, wie man sich an die Bauchseite eines Kalbls hängen kann, ohne dass man runterfällt. Schafe sind
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ja keine da gewesen. Runtergefallen bin ich ein paar Mal, und dann ist das Kalbl über mich drüber.
    Die Manu hat sich in der Woche auch ihre Haare abgeschnitten, obwohl ich ihr gesagt habe, tu’s nicht, die Mutter wird dich schimpfen. Mit der Mutter hat sich die Manu schon damals nicht so gut verstanden.
    Ich hasse meine Zöpfe, hat sie gesagt und gelacht. Das Messer hat sie genommen und sich die Haare abgeschnitten. Ja, mit dem Messer, Schere ist ja keine da gewesen, sie hat sich die Haare so richtig abgesäbelt. Sie ist vor der Hütte in der Sonne gehockt und hat sich zuerst die zwei Zöpfe abgeschnitten. Und weil ihr das noch zu lang gewesen ist, hat sie immer so einen Packen Haare in die Hand genommen und daran herumgesäbelt. Hinten musste ich ihr dann helfen. Es hat mir gefallen. Die Manu hat sich immer mehr getraut als wir alle zusammen, ich habe sie deswegen oft bewundert.
    Nachher hat sie verrückt ausgeschaut, aber auch gut, es hat zu ihr gepasst. Sie hat so ein bisschen wie Heidi ausgeschaut, weil ihre Haare so schwarz und dick und lockig waren, und ich habe das zu ihr gesagt: Du schaust aus wie die Heidi. Sie ist jodelnd um das Haus gelaufen und hat das Lied ganz laut gesungen: Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge! Und dann hat sie weitergedichtet und das Lied geschrien und geschrien, immer wieder, wie so eine
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Irre: Hallo, hallo, unsere Gäste lieben Berge, dunkle Spanner, geile Augen im Dämmerlicht, hallo, der da, braucht mich zum Glücklichsein!
    Am Abend hat das Wetter umgeschlagen, es sind Wolken aufgezogen und es hat ein Gewitter gegeben. Im Bett habe ich Manu gefragt, wieso sie das Lied gesungen hat. Da hat sie mir erzählt, was vor ein paar Tagen passiert ist. Deswegen hat sie unbedingt auf die Alm wollen. Ein Gast, der ist schon etwas älter gewesen, hat ihr im Heustadel aufgelauert und sie begrapscht. Er hat sein Hosentürl aufgemacht, sie an der Hand gepackt und wollte, dass sie mit der Hand sein Ding umfasst. Sie hat ihn gebissen und ist davongelaufen. Der Gast hat dann so getan, als wäre nichts gewesen, er ist trotzdem geblieben und mit seiner Familie in der Stube gehockt und hat so blödes Zeug geredet. Die Manu hat es der Mutter erzählt am nächsten Tag, und die Mutter hat’s ihr am Anfang nicht

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