Sommer wie Winter
haben, bis es dann an die zwölf oder dreizehn gewesen sind. Die haben ja auch einen Haufen Arbeit neben den Kindern gehabt!
Der Vater hätte natürlich gern mehr Kinder gehabt, vor allem hat er sich einen Sohn gewünscht. Er hat gelitten unter der Tatsache, dass er keinen männlichen Erben hat für den großen Hof und den ganzen Grund und Boden. Aber wir zwei, meine Schwester und ich, sind alles für ihn gewesen.
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Es ist eigenartig, wie sich dann alles wiederholt hat bei mir. Mein Mann und ich haben hintereinander drei Mädchen bekommen und – ja, mein Mann hat sich auch unbedingt einen Sohn gewünscht. Er hat mir keine Ruhe mehr gelassen und ist mir ständig in den Ohren gelegen, wir sollen einen Buben als Pflegekind aufnehmen. Später können wir ihn dann adoptieren, und die Anna, Martina und Manuela hätten einen Bruder. Zu einer Adoption ist es nie gekommen, bis heute ist der Alexander rechtlich ein Pflegekind. Ja, wieso habe ich nachgegeben? Heute glaube ich, ich habe mich unbewusst schuldig und ein bisschen minderwertig gefühlt, weil ich nur Töchter geboren habe.
Wir sind also nach Innsbruck zum Jugendamt gegangen und haben einen Antrag auf ein Pflegekind gestellt, und die Beamtin ist von uns begeistert gewesen, das weiß ich noch genau. Schon drei Kinder und Sie wollen noch eines aufnehmen, das finde ich lobenswert, hat sie gesagt, wenn alle Familien so denken würden, wären unsere Kinderheime nicht derart überfüllt. Sie hat uns dann von einigen Kindern erzählt, für die Pflegeeltern gesucht werden und die für uns in Frage kommen.
Der Toni hat sich unbedingt einen Zwei- bis Vierjährigen eingebildet, er hat gesagt, er möcht einen, der keine Windel und kein Flascherl mehr braucht, aber grad das hätte mir gefallen. Noch einmal
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ein Baby versorgen! Ich bin fast vierzig gewesen und habe gedacht, dass ich keines mehr bekomme.
Die Beamtin hat uns dann auch vom Alexander erzählt. Die leibliche Mutter vom Alexander ist vor einem halben Jahr einfach verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht, hat sie gesagt. Das ist sogar in der Zeitung gestanden damals, und sie hat uns den Zeitungsartikel gegeben. Sie hat uns erzählt, dass die Behörden davon ausgehen, dass die Mutter sich ins Ausland abgesetzt hat, und die Polizei deshalb den Fall abgeschlossen hat.
Adoptieren hätten wir ihn also erst können, nachdem die Frau für tot erklärt worden wäre, das wäre nach zehn Jahren. Das hat mir auch nicht gepasst. Bitte, welche Frau wandert ohne ihr Kind aus? Wenn ich schon ein Kind aufnehmen muss, weil mein Mann sich das einbildet, dann bitte ein Waisenkind, wo ich weiß, die Eltern sind tot, aus, fertig, und ich adoptiere es sofort und die Namen sind gleich. Aber so?
Der Toni hat sich dann auf zwei festgelegt, auf den Alexander und auf einen Zweijährigen, der hat Christian geheißen. Die Beamtin ist mit uns nach Axams in das Landeskinderheim gefahren und wir haben uns die zwei anschauen und mit ihnen spielen dürfen. Mir hätte der Christian viel besser gefallen, aber der Toni hat sich für den Alexander entschieden.
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Ich habe nachgegeben, und eine Woche später haben wir den Alexander abgeholt, weil ich es Toni recht machen wollte und mir eine Ehe ohne Streit wichtig gewesen ist. Obwohl – obwohl mir die Sache sehr, wirklich sehr widerstrebt hat, die ganze Sache! Im Grunde wollte ich überhaupt kein Pflegekind haben, ich habe ja drei kleine Kinder daheim gehabt! Und dann der Name! Das Kind hat mit Nachnamen Sommer geheißen und ich habe mir nur gedacht: Oh Jesus Maria, das geht nicht gut, Sommer und Winter, wie soll das gut gehen? Der Toni hat aber laut gelacht, wie die Beamtin den Namen vom Alexander vorgelesen hat, und er hat gesagt: Na komm, Monika, das passt ja perfekt, Sommer und Winter gehören ja zusammen! Daheim im Dorf haben das viele nicht glauben können, wie sie zum ersten Mal den Namen vom Kind gehört haben. Eine Zeit lang ist das der gängige Witz gewesen, dass man gefragt hat: Na, wie geht’s dem Sommer beim Winter?
Ich habe den Buben mit einem richtigen Widerwillen mit nach Hause genommen. Am Anfang habe ich’s auch gar nicht geschafft, fein mit ihm zu sein. Es hat sich dann die ersten paar Monate mehr mein Mann um ihn gekümmert. Die Manuela ist ja fast gleich alt wie der Alexander, und Gott sei Dank hat sie ihn gleich ins Herz geschlossen. Die beiden sind den ganzen Tag beieinander gesteckt! Und deswegen ist es für mich leichter gewesen und
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ich habe mich dran
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