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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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sie sich gesonnt, auf dem Balkon. Das war’s, mehr nicht. Mir wäre so ein Urlaub zu fad.
    Und einmal ist sie ganz aufgeregt zum Abendessen gekommen, sie hat die Mutter verlangt und furchtbar laut und so hektisch mit ihr geredet. Natürlich haben wir alles mitbekommen, wir haben ja immer helfen müssen, beim Frühstück und beim Abendessen, entweder in der Küche oder beim Getränkeherrichten oder beim Abservieren.
    Ihre Geldtasche ist ausgeräumt worden, hat sie gesagt und mit den Händen herumgefuchtelt, es fehlen an die tausend Schilling, nur der Führerschein steckt noch drin. Die Geldtasche ist auf dem Tisch in ihrem Zimmer gelegen, und in der Früh ist das Geld noch da gewesen.
    Der Mutter ist das Ganze so peinlich gewesen, sie wollte die Frau beruhigen und hat sie gefragt, ob sie sicher ist, dass so viel drin war, und ob sie vielleicht vergessen hat, dass sie am Vormittag was eingekauft hat. Da ist die Frau aber noch wilder geworden und hat noch mehr geschrien. Ob die Tiroler glauben, alle anderen auf der Welt sind blöd? Und ob die bauernschlauen Tiroler glauben, man kann alle anderen ausnehmen wie gestopfte Gänse? Denn die Preise da sind ohnehin eine Frechheit und dann wird man auch noch bestohlen!, so hat sie geschrien. Zuerst haben wir, also ich, die Anna,
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die Martina und die Manu, noch gegrinst, weil die Frau so extrem rot im Gesicht gewesen ist. Mir ist aber dann das Grinsen schnell vergangen.
    Die Mutter hat sie schließlich ein bisschen beruhigt und ihr gesagt, sie wird sich drum kümmern. Die Frau setzt sich an ihren Tisch und stopft wieder in sich rein, Suppe, Hauptspeise, Salat und vier Nachspeisen, nachher ist sie aus dem Speisesaal gerauscht, ohne zu grüßen.
    Schon in der Küche, während dem Abwasch, hat die Mutter mich gefragt: Du warst doch heute Nachmittag im Zimmer 14 wegen der Handtücher? Ich habe genickt. Am Nachmittag habe ich nämlich frische Handtücher auf das Zimmer bringen müssen, weil am Vormittag die Anna das vergessen hat, beim Zimmerputzen. Und dann hat sie nicht mehr aufgehört. Ich weiß das alles noch ganz genau, so wie wenn’s gestern gewesen wäre. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber von dem Tag an hat sich was verändert in mir drinnen. Ich habe mich nicht mehr so verpflichtet gefühlt ihnen gegenüber – innerlich, mein ich.
    Sie ist mit mir in die Waschküche gegangen und hat mir als Allererstes eine runtergehaut. Ich war so überrascht. Sie hat sich umgedreht zu mir und mir eine gewatscht. Dann hat sie lauthals zu schimpfen angefangen. Ich bin den ganzen Abend lang mit ihr in der Waschküche gesessen, und später ist auch der
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Vater dazugekommen. Die zwei haben tatsächlich geglaubt, ich habe das Geld genommen! Ich bin das aber wirklich nicht gewesen. Sie haben mich immer wieder gefragt, wieso ich das getan habe und wo das Geld ist. Dass nur ich in Frage komme und ich jetzt nicht auf stur schalten soll! Ich bin so todmüde gewesen, ich wollte einfach nur schlafen gehen, es ist ja schon spät in der Nacht gewesen. Aber sie haben gesagt, du bleibst jetzt so lang da sitzen, bis du die Wahrheit sagst. Auf mich runtergeschaut haben sie, mit verschränkten Armen, mit ihrem strengen Blick haben sie mich so – so fixiert, und sie haben mir einen Haufen Strafen angedroht.
    Wenn das ein paar Jahre später gewesen wäre, hätte ich sicher zum Lachen angefangen und wäre einfach an ihnen vorbei aus der Waschküche marschiert. Aber damals habe ich mich das noch nicht getraut, ich habe so großen Respekt und auch Angst vor ihnen gehabt, wenn sie in Rage gewesen sind und mit mir geschimpft haben. Alle haben wir das gehabt, und erst so ungefähr mit fünfzehn, sechzehn haben wir uns langsam getraut, einmal nicht zu parieren.
    Aber damals habe ich mich das eben noch nicht getraut. Ich habe schon gar nicht mehr gewusst, was ich machen soll! Nur ins Bett wollte ich. Ich habe mir schon gedacht, jetzt sage ich einfach, dass ich’s gewesen bin, nur damit ich Ruhe habe. Nur damit
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das Ganze aufhört, damit sie aufhören so zu schreien. Einmal habe ich sogar gedacht, vielleicht bin ich’s ja wirklich gewesen, ich muss es ja gewesen sein, wenn sie so fest davon überzeugt sind!
    Die Mutter hat dann den Vater angeschaut, mit so einem Blick, und leise gesagt: Ich weiß, dass er es gewesen ist, unsere Mädels machen so was nicht! Sie ist aus der Waschküche gegangen und hat auf mich zurückgeschaut, als wäre ich der letzte Dreck. Der Vater hat mich noch eine

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