Sommerfalle
auftaucht, aber er hat sich natürlich nicht blicken lassen.«
»Anthony D.? Mal wieder jemand, dessen Nachnamen wir nicht aussprechen können?«
Carolyn nickte und schluckte den ersten Bissen herunter. »Ich glaube, er hat vier Js im Nachnamen. Aber egal, welchen interessanten Klatsch habe ich denn schon verpasst? Hattet ihr alle ein nettes Wochenende?«
Einige Kollegen nickten, und die jüngste setzte ihre Geschichte von zwei Schülern fort, die in der Biologieprüfung geschummelt hatten. Die Unterhaltung nahm ihren gewohnten Gang, von Klagen über Kinder zu Klagen über die Schulbehörde bis zu Klagen über die bevorstehenden Abschlussprüfungen. Dann fragte die junge Lehrerin, ob jemand von ihnen das Mädchen unterrichtet hätte, das aus dem Einkaufszentrum entführt worden sei.
»Was?«, rief Carolyn. »Ich habe gestern Abend gar keine Nachrichten gesehen.«
»Rebecca McPherson«, klärte die Spanischlehrerin sie auf. »Ich hatte sie in Spanisch II . Eine süße kleine Blondine.«
Carolyn riss erschrocken die Augen auf. »Ich habe sie am Samstag noch im Einkaufszentrum gesehen! Rebecca McPherson. Du meine Güte, dieser Eddie war ihr nachgeschlichen. Ich wusste doch gleich, dass mir das merkwürdig vorkam!«
»Welcher Eddie?«, fragten die anderen im Chor.
»Burling«, stieß sie hervor. Sie stopfte den Rest ihres Sandwichs zurück in die braune Papiertüte und stieß den Stuhl zurück.
»Ach, der ist doch harmlos«, sagte ein Kollege.
»Aber ihr wisst nicht, was ich weiß.« Und mit diesem Satz eilte Carolyn aus dem Lehrerzimmer.
Zurück an seinem Schreibtisch nahm Officer Sylver den Anruf Mrs. Randazzos entgegen. Die Geschichte sprudelte nur so aus ihr heraus, Sylver machte sich schnell ein paar Notizen. Als sie Eddies Nachnamen buchstabierte, lief es ihm kalt über den Rücken.
»Danke, Mrs. Randazzo, das ist uns eine große Hilfe. Erinnern Sie sich noch daran, was er anhatte?«
Carolyn schloss die Augen und spulte die Szene noch einmal in ihrem Kopf ab. »Tut mir leid«, sagte sie schließlich, »aber mir fällt dazu gar nichts ein. Ich habe ihn ja nur ganz kurz gesehen, als er hinter ihr her zu Lord & Taylor’s gegangen ist.«
Während er notierte, betete er im Stillen, dass Lord & Taylor’s eine Überwachungskamera haben möge oder wenigstens eine aufmerksame Verkäuferin. Bill Lorenz begleitete gerade Sarah nach draußen. Sie hatte bei den Aufzeichnungen keinen konkreten Hinweis entdecken können.
Was, verdammt noch mal, war mit Rebecca McPherson geschehen?
Edward klappte das Telefon zu, legte es in die Handtasche zurück und warf diese wieder in die Papiertüte vom Lebensmitteleinkauf. Dann schob er seine Hand an den Handschellen vorbei und fischte die Schlüssel aus seiner Hosentasche. Als er die Treppen der Veranda hinunterging, drückte er bereits auf den Schlüssel, um den Kofferraum zu öffnen. Nichts passierte, aber zum Glück befand sich an der Heckklappe auch noch ein Schloss, das sich mit dem Schlüssel aufsperren ließ. Vielleicht war das Fahrrad gar nicht so kaputt, wie es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. Er hob es heraus und lehnte es gegen die Stoßstange. Eddie musterte den Rahmen. Dieses Problem immerhin würde er lösen können, alle Werkzeuge, die er dazu brauchte, hatte er parat im Kofferraum.
Die Sonne brannte heiß auf seinen Kopf und Nacken, während er konzentriert arbeitete. Nachdem er fertig war, strampelte er die Zufahrt hinunter.
Er fragte sich, ob er einfach nach ihr rufen sollte. Dass er irgendjemand anderem begegnen und der ihn hören konnte, musste er nicht befürchten – er hatte gestern Abend ein gelbes Band gespannt, das wie eine Straßensperre wirkte. In dieser Gegend gab es sonst keine anderen Häuser, und als Zufahrt zur Rückseite des State Parks wurde die Straße kaum noch genutzt. Aber würde Becky antworten? Vielleicht. Entlaufene Haustiere kamen auch manchmal zurück, wenn man sie rief, dachte Edward.
Josh schlief sehr lange. Das Jahrbuch lag noch immer aufgeschlagen auf dem Bett. Der Wecker zeigte 11:16 Uhr. Das traf ihn wie ein Schlag. Nicht, weil er so lange geschlafen hatte, sondern weil das exakt das Datum von Beccas Geburtstag war. Eine neue Welle der Verzweiflung überrollte ihn, er griff nach dem Telefon. Officer Sylver meldete sich.
»Hallo, hier ist Josh Hartford. Gibt es irgendwas Neues zum Verschwinden von Rebecca McPherson?«
»Hallo, Josh. Tut mir sehr leid, aber bis jetzt haben wir noch nichts. Ich habe heute Morgen
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