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Sommerfalle

Sommerfalle

Titel: Sommerfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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zwar ein paar Anrufe mit Hinweisen bekommen, aber nur einer sieht nach einer möglichen Spur aus. Beckys alte Englischlehrerin hat sie im Einkaufszentrum gesehen und meint, beobachtet zu haben, dass jemand sie verfolgte. Ich fahr gleich rüber zu Lord & Taylor’s, um diese Aussage zu überprüfen. Ich halte dich auf dem Laufenden.« Der Officer hatte Mitleid mit dem Jungen, er erzählte ihm daher mehr, als er hätte müssen – erst recht seitdem er wusste, dass er die gleiche Schule wie sein Sohn besuchte. Dieser Fall war einfach zu nah dran an seinem privaten Leben, und je schneller er gelöst wäre, desto besser.
    »Ich komme auch dorthin«, erklärte Josh.
    »Das geht nicht. Und es bringt nichts. Was solltest du dort ausrichten?«
    »Bitte! Sie ist meine Freundin. Ich will wissen, was mit ihr geschehen ist. Und ich kann nicht einfach hier herumsitzen.«
    Sylver zögerte. Warum sollte der Junge nicht mitkommen, vielleicht war er sogar ein Freund seines Sohns. Er konnte noch schnell daheim vorbeifahren und seinen Junior abholen, der gerade wegen einer angeblichen Erkältung zu Hause geblieben war, und ihn auch mitbringen.
    »Na gut, mein Junge, dann treffen wir uns dort.«
    Josh schnappte sich seine Geldbörse, die Autoschlüssel und schlüpfte in ein Paar Schuhe. Er aß nichts, putzte sich nicht die Zähne. Nicht einmal die Haare kämmte er sich. Die Stoppeln auf seinen Wangen ließen ihn alt und erschöpft wirken. Egal, wenigstens konnte er jetzt irgendetwas tun. Irgendetwas, um Becky zu finden.

    Becky verwirrte immer mehr, was sie in dem Tagebuch las. Einerseits schien der Autor traurig und mitleiderregend einsam, andererseits wirkte er wie ein sehr entschlossener und dazu noch romantischer Typ, eine geradezu ideale Mischung. Seine Aufzeichnungen ließen kein gewalttätiges Naturell erkennen, und zum Glück offenbarten sie auch keine schrecklichen sexuellen Anspielungen. Einige Passagen, die sie ausführlich beschrieben, musste sie zweimal lesen.
    Ihr traten Tränen in die Augen, als sie den Eintrag am Todestag seines Vaters las:
    »Heute vor neun Jahren starb mein Vater. Der anständigste Mensch, den ich je gekannt habe. Er war so unglaublich freundlich zu allen. Die Jungs bei den Wölflingen drängelten sich immer in unser Zelt, weil er einfach die besten Geschichten erzählen konnte.
    Seine Hände waren groß und kräftig. Ich erinnere mich, dass die Nägel quadratisch waren. Ich erinnere mich auch noch, wie es sich anfühlte, von diesen Händen über die Seilbrücke geführt zu werden, vor der ich solche Angst hatte. Wäre ich heute wohl so stark wie er, wenn er weitergelebt hätte?
    Wenn mein Daddy lächelte, sah man schiefe Zähne, aber das störte ihn nicht, er lächelte andauernd. Um die Augen hatte er schon tausend kleine Fältchen, weil er so viel lächelte. So werde ich nie aussehen.
    Er lächelte sogar, als er starb. Er hob den Kopf und lächelte mich direkt an. Ich glaube, er versuchte, mir noch etwas zu sagen, aber die Hupe war so laut, dass ich es nicht hören konnte. Ich werde nie wissen, was die letzten Worte meines Daddys waren, aber ich glaube, er rief einfach nur: ›Hilf mir, Mike.‹ Das macht mich sehr traurig. Warum musste er ausgerechnet das sagen?«
    Rebecca blickte vom Tagebuch auf. Ihr Rücken wurde eiskalt. »Er ist es! Ich wusste gar nicht, dass sein Vater gestorben ist. Sieht aus, als habe ich Mike gar nicht richtig gekannt.«
    Sie starrte durch das Loch über sich zum Himmel hinauf und bemerkte, dass die Schatten sich verschoben hatten. Das Tagebuch hatte sie so lange derart gefesselt, dass sie ihren Plan, die Decke über sich genauer zu untersuchen, völlig vergessen hatte. Sie blätterte bis ans Ende des Tagebuchs, wo sie ein paar leere Seiten entdeckte, und riss sie heraus. Dann wickelte sie diese um den kleineren der beiden Stöcke und legte dieses Paket zwischen zwei zerbrochene Holzlatten. Vorsichtig legte sie diese behelfsmäßige Fackel auf den Boden und suchte nach den Streichhölzern. Sie zündete eines an und hielt es ans untere Ende des Papiers, bevor sie ihre selbstgebaute Konstruktion vorsichtig hochhob. Wenn das Holz nicht gut brennen sollte und die Flamme zu wenig Lichtschein erzeugte, hatte sie keinen anderen Plan mehr. Außerdem durfte sie bloß nicht die ganze Holzdecke in Brand stecken – obwohl, wenn sie so darüber nachdachte, war das vielleicht doch auch eine Option. Der aufsteigende Rauch könnte ihr die nötige Hilfe bringen.
    Der trockene Stock fing

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