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Sommerfalle

Sommerfalle

Titel: Sommerfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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geschlafen haben und verfluchte sich dafür, dem Drang nach Wasser nachgegeben zu haben. Es war nun hell genug, um sich genauer umzusehen. Rebecca entdeckte einige Graffitis an den Wänden, ordinäre Zeichnungen und Kraftausdrücke mit vier Buchstaben.
    Auf und ab gehend suchte sie nach irgendetwas, das ihr weiterhelfen konnte. Vier Steine, zwei größere Stöcke, das zerbrochene Bodenbrett aus dem ehemals oberen Stockwerk und ein Flaschendeckel war jedoch alles, was sie auf dem Lehmboden fand, abgesehen von Moos, Unkraut und einem nicht weiter zu identifizierenden Matschhaufen in einer Ecke. Dann ging sie erneut die Wände ab, hielt nach Kerben Ausschau, in denen ihre Füße und Hände beim Hinaufklettern Halt finden könnten. Sie hatte nur ein einziges Mal eine Kletterhalle besucht, die prägendste Erinnerung daran war ein abgebrochener Fingernagel.
    Sie wischte sich eine Spinnwebe vom Gesicht. Dort, wo sie gestern eingebrochen war, waren die Bretter zersplittert. Sie entdeckte ein paar Haken im Holz, größere und kleinere. Doch sobald sie sich von der Öffnung entfernte, waren sie kaum noch zu erkennen. Da fielen ihr die Streichhölzer und das Papier ein. Sie konnte versuchen, sich eine bessere Fackel zu basteln. Vielleicht mit dem zerbrochenen Brett oder den gefundenen Stöcken.
    Rebecca nahm sich die Streichhölzer und riss eine Seite aus dem Buch heraus. Sie bemerkte, dass es nicht bedruckt, sondern handgeschrieben war, und las den erstbesten Satz: »Becky sitzt wieder auf dem gleichen Platz in der Bibliothek.«
    Ein Tagebuch. Das Tagebuch dieses Perversen, dachte sie. Sie las nun die beiden Seiten des herausgerissenen Blattes, das sie noch immer fest in der Hand hielt. Ihr Name war stets umrahmt, bei jeder Nennung. Der Auszug, den sie las, schilderte eine Recherche, die sie mit Heather Morrow in der Bücherei gemacht hatte. Das Ganze war so detailliert beschrieben, dass der Typ direkt neben ihnen gesessen haben musste. Sie lehnte sich an die Wand und versuchte, sich zu erinnern. Nein, sie war sich sicher, damals war niemand außer Heather und ihr dabei gewesen. Sie hatte nur zwei Mal mit ihr zusammengearbeitet, einmal vor dem Wettbewerb des Debattierclubs und ein zweites Mal vor der Ausscheidung auf Bezirksebene.
    Wer war dieser Typ? Mike hätte sich doch damals bestimmt offen zu ihnen gesetzt. Oder wieso hätte er das nicht tun sollen?
    Sie blätterte nun zurück zum Anfang des Tagebuchs und schlug die erste Seite auf. Sie stellte sich damit direkt ins Licht unter der Öffnung und begann zu lesen.

    Edward riss den Kopf hoch, als ihm die Lösung einfiel. Er besaß ja ein Telefon! Beckys Handy lag in ihrer Handtasche. Wenn sie diese nicht in der Papiertüte auf der Arbeitsplatte entdeckt hatte, musste sie noch immer dort in der Küche sein. Er schlug aufs Lenkrad, als wollte er sich selbst abklatschen. Stimmt genau. Dann sprang er aus dem Wagen und eilte ins Haus.
    Die Tüte stand noch in der Küche. Er schnappte sie sich und kippte sie über dem Esstisch aus. Die Handtasche fiel heraus und auf den Boden. Edward bückte sich und öffnete den Reißverschluss. Geldbörse, Schlüssel, Make-up, Telefon.
    Er klappte es auf und hielt inne. Wen sollte er anrufen?
    Mit geschlossenen Augen versuchte er sich zu konzentrieren. Abschleppdienst? Autovermietung? Wahrscheinlich gab es hier in Hicksville gar keine Autovermietung. Wie auch immer, er sollte sich jedenfalls gut zurechtlegen, was er sagen wollte. Er starrte durchs Fenster hinaus auf die zitternden Schatten, die das Sonnenlicht durch die Baumkronen warf. Sie spielten auf der Motorhaube wie ungeduldig trommelnde Finger, die auf Antworten warteten. Darauf, dass etwas geschah. Darauf, dass Edward loslegte.

    Wie gruselig. Sie bekam eine Gänsehaut davon. Rebecca war entsetzter, je weiter sie las, doch sie konnte nicht aufhören. Dieser Typ war eindeutig wahnsinnig. Allerdings …
    Das war verrückt, aber manche seiner Beschreibungen von ihr hätten ihr gefallen, wenn beispielsweise Josh sie geschrieben hätte. Josh hatte ihr viele SMS geschickt, ihr sogar eine anzügliche Bemerkung auf Facebook gestellt, aber das war auch schon alles. Schade eigentlich, dass er nie etwas mit Tinte auf Papier für sie verfasst hatte, seine Gedanken nie auf eine ähnliche Weise festgehalten hatte wie dieser Irre hier.
    Wie unheimlich, die Gefühle ihres Freunds mit dieser … dieser seltsamen Obsession zu vergleichen.
    Mit klopfendem Herzen las sie weiter.

Officer Lorenz und Officer

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